Donnerstag, 1. September 2022
Vertrauen!?
Vertrauen!?
Fast alle von uns sind inzwischen »Alkoholiker des Ich« – besoffen bis zum Delirium tremens von unserem narzisstischen Gefühl eigener Großartigkeit. Gegen diesen kollektiven Rausch des überlegenen »selbst Gemachten«, des totalen Könnens hat das Seiende nicht mal den Funken einer Chance: viel zu klein, viel zu unspektakulär, viel zu gewöhnlich – also nicht mal ansatzweise »besonders«. Kurzum, es bringt keinerlei Gewinn an Ansehen, an Macht, ja auch an materiellen Gütern. Und »besonders« sind heute praktisch Alle. Dabei verlieren wir das, was uns als Einzelne einzigartig macht, zu Gunsten dieses »Besondersseins«. Denn wichtig ist dabei einzig und allein, dass wir, wenn irgend nur möglich, alle ins allgemeine »Konsensbewusstsein« eingeklinkt sind, also dass wir »dazugehören« – mithin, dass wir möglichst dauernd »auf Sendung« sind. Dabei ist es eher nebensächlich, was wir »senden« – Hauptsache, dass. All das entfaltet jedoch seine eigene, sich selbst verstärkende Psychodynamik – heute sind nur noch Idioten längere Zeit mal »auf Empfang«. Sie »fallen damit komplett raus«: Sie gehören nicht dazu.
Es tobt, von fast Allen unbemerkt, ein fieser »Krieg um unsere Gehirne« – will heißen, um unsere Wahrnehmungen und Gefühle. Dabei geht es jedoch weniger darum, was wir denken und wahrnehmen, sondern vor Allem darum, wie wir wahrnehmen, denken und fühlen. Also letztlich weniger um den Inhalt, also das Was, als um das Wie: Es geht um das grundlegende Gefühl, wie wir uns selbst sehen und in der Welt stehen. Damit ist das Wie viel fundamentaler als das Was, denn es prägt und durchdringt Alles, was wir sehen, denken und fühlen: Es ist wie der Boden, auf dem alles was uns ausmacht wächst, während das Was auf bestimmte Bereiche davon beschränkt bleibt. Das Wie ist universell und wirkt (in der Regel unbewusst) bis in die hintersten und tiefsten Ecken und Verästelungen unserer Psychen, unserer Seelen hinein. Man denke dabei an die Geschichte mit den Fischen, die fragen: »Was ist Wasser?« Das Was ist hingegen eher etwas Oberflächliches, ja Austauschbares. Es sind in diesem Bild quasi die Alltagsthemen, über die »die Fische« reden – zum Beispiel, welches Essen wo zu finden ist. Doch um überhaupt eine kleine Chance zu haben, all diesen (im Grunde elementaren) Dingen »auf die Schliche« zu kommen wäre eine Selbstdistanz nötig – also mal in sich zurückzutreten und sich ehrlich zu fragen: »Was tue ich? Warum und wie tue ich? Und was macht das mit mir und Anderen?« Selbst wenn ich keine Antwort bekomme – einfach nur indem ich diese Haltung dazu einnehme hätte ich eine Chance, die Manipulation zu erkennen. Oder zumindest die richtigen, will heißen zielführenden Fragen zu stellen. Doch wir haben uns in den vergangenen Jahrzehnten willig in eine Richtung locken lassen, die das mit einiger Sicherheit ausschließt. Salopp gesagt: Wenn das Leben selbst die beste Schule für uns ist, so haben wir gewissermaßen unsere Hausaufgaben nicht gemacht …
Es geht also um die Art and Weise, also darum, wie wir uns selbst und die Welt wahrnehmen. Dies nicht nur subtil zu beeinflussen, sondern zu prägen ist die Essenz von »Kognitiver Kriegsführung« (nein, das gibt es wirklich – siehe ein NATO-Dokument dazu, zum Download hier): Wer dieses Wie kontrollieren kann, der hat wirklich alles, also den ganzen Menschen, die ganze Gesellschaft, ja in letzter Konsequenz die ganze Welt in der Hand. Und das, ohne dass es (in der Regel) den Betreffenden auch nur ansatzweise bewusst ist! Genau deshalb ist es so wirkungsvoll. Diese Ebene, dieses »Wasser« taucht in der Wahrnehmung fast Aller einfach gar nicht auf, so selbstverständlich ist es da. Sie haben darüber hinaus auch kaum einen Bezug dazu (siehe z.B. Arno Gruen, »Der Fremde in uns«, dtv, November 2002) – und wenn, dann meist einen negativen. Die jeweiligen »eingebetteten Inhalte« (also das jeweilige Was) spielen hierbei nur noch eine untergeordnete Rolle, die man zudem je nach Bedarf sehr einfach medial »besetzen« bzw. anpassen und instrumentalisieren kann: Man hat ja die tiefere Ebene darunter »übernommen« und somit alles, was sich darüber abspielt gleich mit … So kann man nun sehr einfach im Dienste eben dieses Wie quasi »Inhalte einspeisen« – etwa so, wie man ja über Radiowellen jedes beliebige Programm übertragen kann. Die Ebene darunter »nimmt es mit« und integriert es willig – beinahe so als hätte sie nur darauf gewartet.
Und dass sich dieses Wie zumindest nach meiner Wahrnehmung zunehmend immer schneller und radikaler verändert – deshalb gibt es überhaupt diese Seite. Das ist der Rote Faden bei Allem hier. Dabei sehe ich mich nur als ein kleines Bisschen »näher dran« als die weitaus meisten – in mehrfacher Hinsicht. Womöglich ist meine (halbwegs bewusste) »Kaputtheit« der Schlüssel dabei. Ohne diese halbwegs bewusste Kaputtheit wäre ich wohl sehr viel »erfolgreicher«, doch mindestens in gleichem Maße auch blinder für diese Dinge, die zumindest für mich real sind. Nun, ich kann mich dadurch zumindest in keiner Weise damit herausreden, ich hätte »von alldem nichts gewusst« – schon gar nicht vor mir selbst. Dieses Wissen werde ich höchstwahrscheinlich mit ins Grab nehmen, unabhängig davon, ob ich damit auch nur einen Hauch mehr Bewusstheit und Sein in die Welt bringen kann. Ich erwähnte es schon mal – es ist wie ein Rufer in der Wüste zu sein. Vor Kurzem las ich, dass das Schicksal der Menschheit womöglich in den Bereichen entschieden wird, die man als »verlorene Posten« bezeichnen könnte. Wenn ich das wiederfinde, werde ich den Link ergänzen. Das hier nur als ein Gedanke.
Die radikalsten Veränderungen der vergangenen Jahrzehnte entspringen dabei aus meiner Sicht den technischen Möglichkeiten der »Digitalen Revolution« – die diesen Namen wahrhaftig verdient, denn sie ist, denke ich, im oben beschriebenen Sinne ein zentrales Werkzeug in den Händen derjenigen, die sehr erfolgreich das Wie unserer Wahrnehmung in ihrem Sinne verändern wollen und das bereits seit Längerem mit unser Aller stillschweigendem Einverständnis vorangetrieben haben. Dabei mussten sie jedoch keineswegs bei Null anfangen. Denn hier wurden und werden einfach all die Erkenntnisse der Psychologie der vergangenen 120 Jahre virtuos, doch auch gnaden- und skrupellos ausgenutzt. Dabei seien als stellvertretende Beispiele auf Gustave Le Bons »Psychologie der Massen« (erschien kurz vor der vorletzten Jahrhundertwende) und den (unter Anderem) darauf aufbauenden Klassiker »Propaganda« von Edward Bernays verwiesen, der 1928 erschien und aus dem Joseph Goebbels viele Inspirationen bezog. Unser Aller urmenschliche Neigungen, und vor Allem die intensiven Traumata, die die weitaus meisten von uns tief in sich tragen und deren Herkunft und Mechanismen neben vielen Anderen Erich Fromm und Arno Gruen so gut beschrieben haben, werden hier erbarmungslos als psychisches »Ausgangsmaterial« und »Werkzeug« gegen uns verwendet. Gegen uns – und eben nicht, um uns zu heilen, um uns mit uns selbst in Kontakt und in Frieden zu bringen. Dieses Wissen könnten wir dazu verwenden, um uns uns selbst, dem Leben und einander wieder ganz tief näher zu bringen. Doch nein – es wird inzwischen im Gegenteil dazu benutzt und weiterentwickelt, um »jeden einzelnen Menschen zu einer Waffe zu machen«.
Dass diese eigentlich für das Leben, für die Menschen gedachten Erkenntnisse und Lehren nun zur schrittweisen, schleichenden Vernichtung unserer Seelen und damit letztlich zur Abschaffung des Menschen missbraucht werden ist ein trauriger Tiefpunkt des menschlichen Geistes. Es ist der endgültige Sieg der linkshirnischen Weltsicht über die rechtshirnische. Vereinfacht gesagt ist das Ziel der linkshirnischen Wahrnehmung und Weltsicht Macht, die der rechtshirnischen Verbindung und direktes Sein. Es ist der Sieg des Verstandes, des Dieners, über den Herrn, das Seiende, Verbundene: Der Verstand, der ein wunderbarer Diener ist, hat sich zum furchtbaren Herrn aufgeschwungen. Und es macht mich nach wie vor fassungslos, dass diese Entwicklung, diese perfide Strategie selbst von der eh schon sehr kleinen kritischen Minderheit in der Regel gar nicht begriffen wird – sodass sie zwar »dagegen« sind, doch eben auf die gleiche Art und Weise, mit dem gleichen »Wie« wie inzwischen fast alle, die »dabei« sind und mitmachen: Sie »schauen« bei aller ihrer Kritik bewusstseinsmäßig gewissermaßen doch in die gleiche Richtung wie praktisch Alle: Dass das »Wasser« manipuliert wurde, liegt jenseits ihres Begreifens.
Es geht bei Alldem um die Erschaffung eines universellen Gegeneinanders durch eine radikale Erosion menschlichen Vertrauens bei gleichzeitigem Rausch einer Ermächtigung. Das erleben wir seit zweieinhalb Jahren gezielt über das kollektive Ritual der quasi-religiösen Anbetung einer abstrakten, als sinngebend empfundenen, über die »Maßnahmen« projizierten »Solidarität« (Mattias Desmet) bei gleichzeitigem, unbemerktem Zerstören von Allem, was uns zu Menschen macht: Das Ziel ist die Erosion und letztlich Eliminierung jeglichen menschlichen Vertrauens ineinander und ins Leben selbst sowie das Auslöschen jeglichen echten Mitgefühls bei gleichzeitigem Erschaffen von Hierarchien und totaler Konkurrenz auf wirklich allen Ebenen. Das alles soll natürlich gut aussehen – als der Weg in ein Paradies ohne Leid und Schmerzen. Und von Anfang an waren Kinder und junge Menschen das Hauptziel dieser Pläne, die schon seit Jahrzehnten unter vielen wohlklingenden, aber falschen Etiketten (z.B. »Pisa-tauglich«, »Fördern und Fordern«, …) vorangetrieben werden. Denn das Letzte, was man »dort oben« heute haben will sind Kinder und junge Leute, die bei sich sein können und zu wirklich kritischem Denken fähig sind, anstatt einfach als coole Könner ihr Leben zu konsumieren. Wir Älteren werden bald nicht mehr da sein, und diese Jüngeren werden dann prägen, »wie die Welt auszusehen hat«.
Denn traumatisierte Kinder werden zu gehorsamen und perfekt instrumentalisierbaren Erwachsenen – im Idealfalle sogar so, dass sie es gar nicht merken. Sie glauben, das »müsse so sein« und sind sich sehr sicher damit. Dies ist, wie schon gesagt, lange bekannt. Ideal dafür sind im Grunde völlig atomisierte, vereinzelte und dabei extrem narzisstische Menschen, die sich als »Hyperindividualisten« fühlen, gleichzeitig jedoch mit religiöser Inbrunst an eine gemeinsame Ideologie ohne Ideologie glauben: an ein Wie in Form von »Coolness« und »Wokeness« – kurzum: an ein Recht des Stärkeren, respektive des moralisch Überlegenen. Zusammengehalten wird das alles über jene Art von bereits erwähnter »säkularer Religion« (oder auch »stillen Konsens«), und vor Allem seit etwa zweieinhalb Jahren über jene »Solidarität«, die quasi als »Gegengewicht« und »re-ligio« des Hyperindividualismus ein abstraktes, allem übergeordnetes »Gemeinwohl« anbetet und über Alles stellt – selbst über das Leben selbst. Kurzum: lauter glückliche Sklaven, die sich praktischerweise so völlig frei und souverän fühlen wie nie zuvor. So leben sie zum Beispiel »im besten Deutschland aller Zeiten«. In Anlehnung an einen Spruch Goethes sind sie damit in einer völlig hoffnungslosen Situation, was Freiheit angeht. Und jeder, der dabei nicht mitmacht ist ein Verräter an der »gemeinsamen guten Sache« – ein Volksschädling, ein egoistisches Arschloch, das man im Namen des alles verbindenden Ideals des absolut Guten ohne Bedenken ans Messer liefern sollte.
Kurzum, es geht um einen Totalitarismus in der Neuauflage, in der Version des 21. Jahrhunderts – hip, cool, woke. Mit Menschen, die ganz genau wissen, wo’s lang geht – nämlich ins Paradies der Guten. Das hat viel vom Erlösungsversprechen der klassischen Religionen – nur eben jetzt durch die Technik vermittelt. Und wer da nicht mitmacht, gehört zur »falschen Seite der Geschichte« und hat es mehr als verdient, dafür eliminiert zu werden.
Im harmlosesten Fall heißt das, sozial ausgeschlossen zu werden, »nicht mehr dazuzugehören«, im ernsteren Fall wird es auch die physische Vernichtung bedeuten. Ein Krieg »Gut gegen Böse« also, und dabei es ist den weitaus meisten jenseits jeglichen Zweifels klar, wer die »Bösen« sind: Sind die erst mal weg, wird alles gut – die Welt »reinigt« sich mit ihrer tatkräftigen Hilfe (oder zumindest Duldung) einfach von ihren »Arschlöchern«, und dann wird ewiger Frieden herrschen und das Paradies der durchoptimierten Menschen ist da – von Menschen, die schlauer sind als das Leben, es einfach nach Belieben »hacken« können (Harari). Ich halte das für eine völlig naive, kindlich-größenwahnsinnige (und zudem »volldigitale«) Sicht auf die Welt, und damit stehen die Zeichen auf einer Neuauflage von sehr ähnlichen gesellschaftlichen Strukturen wie unter Hitler, Stalin und Mao. Das Alles nur eben mit den Mitteln des 21. Jahrhunderts sowie ohne den altmodischen Personenkult von damals und nun weltweit … Und das alles »totaler, als ihr euch das überhaupt vorstellen könnt«.
Es ist absehbar, wo das enden wird – vor Allem, wenn man erst mal jegliche oppositionellen Stimmen zum Verstummen gebracht hat – »wenn der Krieg gegen Desinformation gewonnen ist«. Und wenn das System nun völlig frei dreht, sich zu entfalten (Mattias Desmet), wird es sich gegen immer neue »innere Feinde« (»lokale Terroristen«) richten – und das kann in Zukunft jede/r(!) sein, auch (und gerade!) diejenigen, die »doch nichts zu verbergen haben«: Das totalitäre System wird sich zunehmend selbst auffressen, am Ende in einem Blutbad implodieren. Diese Dynamik ließ sich in den oben genannten totalitären Systemen gut nachvollziehen und wird sich mit ziemlicher Sicherheit von der Struktur her so wiederholen – nur eben mit dem Kontroll- und Vernichtungspotential der Zivilisation des 21. anstatt »nur« des 20. Jahrhunderts. Und mit Menschen, die sich hundertprozentig sicher sind, dass »ihnen so was wie damals niemals passieren« würde …
Wenn nicht noch ein Wunder geschieht, springen die meisten von uns im kommenden Herbst/Winter über die Klippe. Zumindest hier in Europa, und speziell in Deutschland mit seinen ARMen Menschen. Dazu kommt noch: Der grundlegende menschliche Respekt voreinander, egal ob ich jemanden sympathisch finde oder nicht, den ich noch gelernt habe, scheint ein Ding von vorgestern zu sein. Dies ist eigentlich sogar die Ebene vor der Empathie (oder besser, ihre Grundlage), doch gerade das kommt uns immer mehr abhanden; jede/r glaubt heute berechtigt zu sein selbst zu entscheiden, ob ein anderer Mensch überhaupt als solcher wahrgenommen zu werden braucht. Das geht sogar hochoffiziell, in der Art »Wenn mir nicht passt, was Sie denken, dann haben Sie keine Rechte.« Und wir haben inzwischen verlernt zu begreifen, dass manche Dinge endgültig sind: Na ja – wenn ein Handy kaputtgeht, kauft man einfach ein neues. Auch ein zerstörtes Haus kann man ersetzen. Doch etwas Totes wieder lebendig machen? Nun, der »technische Fortschritt« und seine Propagandisten machen uns glauben, auch das sei in naher Zukunft machbar. Und das ist ein Teil des Problems.
Ich zitiere mal wieder Leonard Cohen: »We’ll see the breaking of the ancient western code …« (»The Future«). Lange konnte ich mir nichts darunter vorstellen, was er mit »Wir werden den Zerfall des uralten westlichen [Moral-]Kodexes erleben …« meinte. Doch mit jedem Tag, jeder Woche wird es mir klarer …
Gnade uns Gott.
Ein Nachtrag. Es ist wie immer schön, ähnliche Gedanken wie meine aus berufenem Munde zu lesen. Dann komme ich mir weniger irre, weniger idiotisch vor: Sehr tröstlich – ich bin nicht der einzige Rufer in der Wüste, mit der Art, wie ich mich den Dingen nähere. Heute (8.9.22) erschien beim »Rubikon« ein Artikel von Daniel Sandmann mit dem Titel »Lob der Covidioten«. Darin zitiert er aus dem Buch von Byung-Chul Han »Psychopolitik – Neoliberalismus und die neuen Machttechniken« von 2014 und bespricht dessen Gedanken eingehender. Dies Büchlein liegt auch bei mir, und es brachte für mich Vieles auf den Punkt, was ich vorher nur so ungefähr hätte umreißen können. Inzwischen gibt es sein Buch »Palliativgesellschaft« von 2020, das seine Gedanken von 2014 aktualisiert und weiterträgt. Leider nichts für heutige Daueroptimisten.
Und noch was (14.9.22). Ich habe ja schon mehrfach zitiert, was Goethe zum Thema »Sklaven, die sich völlig frei fühlen« sagte. Hier ein Artikel aus berufenerer Quelle, der sich dieses Themas annimmt – denn die freien Sklaven verstehen ja in der Regel nicht mal ansatzweise, wo da überhaupt ein Problem sein soll …
Eben (17.9.22) gelesen: Ein schöner Artikel (auf Englisch) von Todd Hayen über den »Krieg der Welten«. Darin sinniert er über die »offizielle« und uns Allen bestens geläufige Welt, die die überwältigende Mehrheit von uns als die reale Welt nimmt. Doch sie besteht zum weitaus größten Teil aus schönem Schein, Lügen und Unwahrheiten. Daneben gibt es die »andere« Welt, bei der es genau umgekehrt ist: Nun, bestimmt ist nicht alles wahr, was darin vorkommt. Doch sie repräsentiert zum allergrößten Teil die »echte« Realität. Unsere einzige Chance sei, unseren Lebens-Schwerpunkt kollektiv in die reale, die »wahre« Welt zu verlegen. Der Autor ist aber Realist: Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird das ein Wunschtraum bleiben.
Ich habe in diesem Zusammenhang vor vielen Jahren mal irgendwo einen Satz gelesen, der »hängen geblieben« ist. Für mich ist es völlig egal, wer ihn gesagt hat. Nun, ich weiß, das sehen gerade heute viele anders. Hier also: »Wir haben im Leben nur eine echte Wahl, nämlich unser Leben bewusst oder unbewusst zu leben. Fast alle entscheiden sich für unbewusst.«
Noch was – am 30.10.22. Die Welt geht unter, und es ist nur die Frage, ob es schneller oder langsamer geht und wie das dann aussehen wird. Ich habe als Titel für den Artikel oben aus gutem Grund »Vertrauen!?« gewählt. Denn am Ende steht und fällt alles mit unserem (Grund)Vertrauen in uns selbst, in unsere Mitmenschen und ins Leben überhaupt. Und zum Leben gehört eben auch der Tod dazu. Ich sage das noch mal; es ist eine Binsenweisheit. Und doch ist sie heute für fast Alle obsolet geworden. Wir leben Alle mehr oder weniger in einer »gemachten« Realität, die sich längst weitgehend von den ewigen Regeln des Lebens abgekoppelt hat. Und in dem Krieg, in dem wir uns inzwischen befinden geht es letztlich darum, uns endgültig abzukoppeln – von uns selbst, von den Anderen, vom Leben überhaupt. Es geht um die endgültige Auflösung menschlichen Vertrauens zugunsten einer Illusion, eines Wahns der totalen Kontrolle. Es ist der Totale Krieg gegen das Leben. Wir werden ihn verlieren.
James Corbett hat gerade ein Essay geschrieben über ein neues Stadium dieses geistigen Krieges, der natürlich eng mit dem Krieg im Außen zu tun hat. Es geht um das Ende dessen, was wir als »echte Realität«, also quasi als »Wahrheit« bezeichnen können. Und indirekt hat es auch mit dem Krieg zu tun, den ich inzwischen in fast allen Menschen um mich her zu sehen glaube. Lasst mich darum beten, dass es nur meine Projektion ist. Denn wenn nicht, dann wird dieser Krieg bald ins Außen treten. Die Menetekel haben sich in den vergangenen zweieinhalb Jahren überdeutlich gezeigt, zumindest für mich.
Noch was, nur am Tag darauf (30.10.22). Ich freue mich wie immer, wenn ich ähnliche Gedanken wie meine aus berufenerem Munde lese und/oder höre. Ich komme mir dann weniger ver-rückt vor. Hier in diesem Artikel vom »Off-Guardian« von Todd Hayen geht es um die Buntheit und Vielfalt der Welt, die Spannung zwischen Gegensätzen. Er kommt zu dem Schluss: »The effort to destroy our uniqueness and our diversity in thought and perspective is the absolute worst thing that could happen to humanity — we cannot dismiss our thinking minds, and our individual compulsion to find meaning in a world that may seem chaotic and unharmonious due to its refusal to be controlled.« – »Auf die Zerstörung unserer Einzigartigkeit und unserer Vielfalt in Gedanken und Perspektiven hinzuarbeiten ist das absolut Schlimmste, was der Menschheit passieren könnte – wir können unser kritisches Denken und unser eigenes Streben Sinn in der Welt zu finden nicht in den Wind schießen, selbst wenn diese dadurch chaotisch und unharmonisch erscheinen mag, eben weil sie sich einer solchen Kontrolle widersetzt.« (Meine Übersetzung)
Vertrauen ist das, was unser Zusammenleben erst ermöglicht. Eben (6.11.22) las ich einen Kommentar von Dagmar Henn, der im Grunde in einem großen Bogen zusammenfasst, was mich hier seit inzwischen gut elf Jahren beschäftigt: Die neoliberale Ideologie ist inzwischen bis in die feinsten Verästelungen unseres Lebens vorgedrungen. Dies süße Gift hat inzwischen fast alles zersetzt, was unser Leben einst im Kern ausmachte – auch (und gerade) wenn vieles davon nicht wertgeschätzt oder gar unterstützt wurde. »Das Land ist eine leere Hülle, und es braucht nicht allzu viel Druck, und diese Hülle zerbricht. Vielleicht passiert es diesen Winter noch nicht. Das wäre Glück.« Dem ist von meiner Seite aus nichts hinzuzufügen.
Das ist ein Krieg gegen das Vertrauen unter uns Menschen. Was mich nach wie vor fassungslos macht ist, dass nur eine Handvoll von uns das auch nur ansatzweise begreifen. Bis es mehr, gar genug sind, um uns zu wehren wird es sehr wahrscheinlich zu spät sein. Die Zeit arbeitet für die Spaltung und Zersetzung, leider. Heute (5.12.22) will ich zwei Links dazu beifügen. Eben sah ich ein kurzes Video aus dem Kreis von »Transition-News« zum Thema »Vergebung«, das ja seit zwei oder drei Wochen aufgekommen ist. Jens Spahn hat ein Buch dazu veröffentlicht, und auch an anderer Stelle wird dies thematisiert – mehr oder weniger halbherzig, voreingenommen, verlogen. Und was wir uns mit der umfassenden »Digitalisierung« antun, das hat Todd Hayen beim »OffGuardian« zu ein paar Gedanken gebracht, die ich lesens- und bedenkenswert finde – allerdings auf Englisch.