Dienstag, 7. Januar 2025
Kriegsmodus …
Kriegsmodus …
Was sich derzeit in der Politik, aber auch ganz direkt um mich herum abspielt, macht mich schaudern. Wer jetzt vor Allem an Reaktionen denkt, wie ich sie nach der Wiederwahl Donald Trumps von Seiten der meisten aus meinem Freundes- und Bekanntenkreis mitbekam – nein, das ist nicht das, was ich meine. Deren Reaktionen gingen zu meinem Erstaunen von blankem Entsetzen bis an die Grenze zu Hysterie, ja Panik. Auch ich bin zwar zumindest erstaunt, mache mir allerdings keinerlei Illusionen – weder in der einen noch in der anderen Richtung: Trump ist weder die Reinkarnation Satans (oder Hitlers oder Stalins oder Maos), wie viele sich haben einreden lassen, noch der weiße Ritter, der die Welt erlösen und retten wird, wovon wiederum andere träumen.
Nein, er wird »andere Scheiße bauen«, an anderen Stellen Feuer legen als Herr Biden (respektive potentiell Frau Harris). Aber er wird den Kurs weiterverfolgen, den seine Vorgänger vertraten: Er wird der Agenda der Macht dienen. Wer da als Präsident ausschert wie einst John F. Kennedy, wird öffentlich hingerichtet. Ich fürchte jedoch, wir werden wohl nie erfahren, was dabei im Einzelnen passiert ist. Ein riesiger Haufen starker Indizien lässt allerdings von der offiziellen Version des Hergangs des Attentats auf ihn nur wenig übrig.
Vielleicht wird mir meine Leidenschaftslosigkeit in der Frage, wer da nun jeweils den »Frontmann« oder die »Frontfrau« in diesem blöden Spiel gibt mal zum Verhängnis: Wer von den »Guten« einmal auf die Seite »der Bösen« (der Verräter der guten Sache, der »xxx-Leugner«, der Verschwörungstheoretiker, der »Terroristen«, …) eingeordnet wird, hat im schlimmsten Fall sein Leben verwirkt. Denn die »Guten, Gerechten und Wissenden« werden es geradezu als eine Ehre empfinden, »so jemanden« wegzubeißen, auf die eine oder andere Weise abzuservieren, ja zu beseitigen …
Das ist alles Andere als neu. Dieser Fluch unseres Menschseins wird uns als Art ausrotten, wenn uns nicht noch ein Wunder zur Hilfe kommt. Denn die Zeit, wo ein paar von uns einige andere totgeschlagen haben, und »das war’s dann« ist lange vorbei. Heute haben wir Machtmittel, gegen die ein Knüppel oder ein Pfeil nicht mal mehr nur lächerlich erscheinen, sondern so gut wie nicht existent.
Aus gutem Grund habe ich den Titel »Kriegsmodus« gewählt. Denn es ist Macht, die heute die Welt durch und durch bestimmt. Nicht, dass das völlig neu wäre. Es ist nur aus meiner Sicht so, dass inzwischen jegliche Gegengewichte verschwunden sind – ausgeschaltet, irrelevant. Leonard Cohen sang in einem seiner späteren Lieder (dem Titelsong seines Albums »The Future«, 1992):
Things are going to slide, slide in all directions
Won’t be nothing
Nothing you can measure anymore
The blizzard, the blizzard of the world
Has crossed the threshold and it has overturned the order of the soul
[Die Dinge werden in alle Richtungen entgleiten
Da gibt es kein Maß mehr
Der Blizzard der Welt hat die Schwelle überschritten
Und die Ordnung der Seele abgeschafft
– meine Übersetzung]
Es gibt die Kraft des Lebens (Gottes, des Universums, …) – mithin »die Ordnung der Seele« – nicht mehr; wir haben sie durch unsere an uns gerissene Macht ersetzt. Doch diese neue, menschgemachte Gottheit der Macht wird uns richten, früher oder später. Wer sind wir, die wir glauben, das Leben bescheißen zu können?
Diese Gier nach Kontrolle, nach der Herrschaft über die Welt (und sei es auch nur die persönliche, kleine), ja über das Leben selbst ist allgegenwärtig. Tausende Gesten und Handlungen, die ich um mich her beobachten kann zeigen mir, dass dieses Gefühl der »Ermächtigung«, das die Allgemeinheit in den vergangenen drei, vier Jahrzehnten erfahren hat inzwischen alles durchdringt und beherrscht. Da ist kein Abstand, keine Distanz mehr zu uns selbst, zu unseren fixen Ideen, »wie denn alles zu sein« habe. Macht war schon immer eine wichtige Kraft in der Welt, doch seit geraumer Zeit ist sie zum alleinigen Herrscher geworden – zu dem Blizzard, der die Ordnung der Seele überwunden, obsolet gemacht hat.
Es ist ein Herrscher, der wie eine Gottheit angebetet wird, und das inzwischen wohl so gut wie weltweit. Ja, es ist so was wie die neue Weltreligion geworden, deren »Trägerfrequenz« und Taktgeber der technische »Fortschritt« ist. Und wenn schon all die Menschen um mich her, die mir tagtäglich begegnen wie im Rausch dieser Gottheit huldigen, die ihnen auf tausendfache Art und Weise zuraunt »Alles ist möglich, wenn du nur an mich glaubst!« – wie sehr sind dann erst diejenigen ihre Diener, die wirklich was zu sagen haben? Also die, die das Geld und die Möglichkeiten haben, der Welt ihren Willen aufzuzwingen?
Das, was früher mal mit »gesunder Menschenverstand« bezeichnet wurde, ist inzwischen fast völlig verschwunden: »Uncool, ey!« Hier und da lugen zwar noch ein paar Reste davon hervor, doch die werden achtlos wie Gras niedergetrampelt von all den Wissenden, den Könnern. Damit will man nichts mehr zu tun haben – denn: »The Sky is the Limit.« Grenzen akzeptieren, selbst aus einem ganz banalen Eigeninteresse, ja Überlebenswillen heraus? Das würde ja eine Einschränkung, letzen Endes einen Verzicht auf diese wunderbaren, linkshirnischen Allmachtsgefühle bedeuten. Geht gar nicht. Undenkbar.
Und damit sind alle, die Grenzen anmahnen und persönlich vertreten Loser, Leugner, Ewiggestrige, Nazis. Ich meine damit die Grenzen, deren Beachtung unser Menschsein schützt und bewahrt. Doch das ist Schnee von gestern – heute ist nur der »optimierte« Mensch noch von Belang, oder sollte ich sagen, »der Neue Mensch«? Heute muss niemand sich mehr fragen, ob seine oder ihre Ideen vielleicht doch ein Bisschen zu »abgedreht« sein könnten. Nein, heute kann und soll jeder Wunsch erfüllt werden! Jedem von uns steht das zu, schreit es uns von überall her entgegen. Und selbstverständlich ist das möglich: Wir machen uns die Welt, wie sie uns gefällt! Natürliche Grenzen? Was soll so was denn sein? Ich will es, also mache ich es!
Hatten wir vielleicht schon mal, ist nur ein Bisschen her und hieß anders, war anders etikettiert (ich glaube, da war die Rede von »Übermenschen« und »Herrenrasse« und »… morgen die ganze Welt!«). Ich fände es hochinteressant, mal mit Hannah Arendt über diese Frage reden zu können. Sie war aus meiner Sicht bereits sehr, sehr weitsichtig und klug, doch ist sie leider schon lange nicht mehr unter uns. Von ihr las ich kürzlich ein in diesem Zusammenhang hochinteressantes Zitat: »Das ideale Subjekt einer totalitären Herrschaft ist nicht der überzeugte Nazi oder der überzeugte Kommunist, sondern es sind Leute, für die es keinen Unterschied mehr zwischen Fakten und Fiktionen gibt.« Oder anders ausgedrückt: Es sind diejenigen, die bequeme, angenehme Illusionen unbequemen Wahrheiten vorziehen. Da man aber heute keine Vergleiche mehr anstellen darf – denn Vergleichen bedeutet inzwischen ja automatisch gleichsetzen und gutheißen – sind alle, die »so was auch nur zu denken wagen« sofort Zielscheiben für die »Cancel Culture« – oder Schlimmeres.
Wir Menschenviecher neigen sowieso dazu, uns »unsere Welt so zu machen, wie sie uns gefällt«. Nun, wir haben dazu ja auch viel mehr Möglichkeiten als unsere Mitbewohner hier. Doch ohne dabei bestimmte Realitäten (und damit auch Grenzen) zu akzeptieren (wie unsere Endlichkeit zum Beispiel) kommen wir sprichwörtlich in »Teufels Küche« …
Alleine dass ich »so was« hier überhaupt thematisiere geht heute schon gar nicht. Das läuft ja letztlich darauf hinaus, die eigene gefühlte Großartigkeit mal zu hinterfragen, und das ist heutzutage nicht nur unmöglich, sondern im Wortsinne undenkbar! Wir sind daher längst im Kriegsmodus. Denn was Realität ist, bestimmen wir! Wer oder was da jeweils der »Gegner« ist spielt eigentlich keine Rolle mehr. Er ist beliebig, kann also so ziemlich alles sein, was wir verachten und ablehnen. Ist es heute dies, ist es morgen das. Widersprüche? Wen interessiert denn schon die Mode (oder das Geschwätz) von gestern?
Denn wir wollen mit uns selbst ja längst nicht mehr das Geringste zu tun haben: Nur das überlegene, strahlende Selbstbild zählt noch – nach innen wie nach außen. Völlig von uns selbst absorbiert sind wir dauernd auf dem Sprung wie eine jagende Katze, alles, was als »das Andere« etikettiert wird zu bekämpfen – selbst wenn sich am Ende herausstellt, dass es unser Spiegelbild ist. Wenn wir das dann irgendwann doch widerwillig und schmerzlich erkennen müssen, wird es zu spät sein.
Noch mal Leonard Cohen in »Anthem« (auch aus dem Album »The Future«, 1992):
You can add up the parts
But you won’t have the sum
You can strike up the march
There is no drum
Every heart, every heart
To love will come
But like a refugee
[Du kannst die Teile aufaddieren
doch Du wirst keine Summe bekommen
Du kannst den Marsch schlagen
doch es gibt keine Trommel
Jedes, jedes Herz
wird zur Liebe kommen
doch wie ein Flüchtling
– meine Übersetzung]
Bleiben wir Menschen. Dafür sind wir alle hergekommen.