Dienstag, 7. Januar 2025
Kuba
Kuba
Kuba – wer hätte gedacht, dass ich mal dort hin käme, wenn auch nur kurz? Ich auf jeden Fall staune immer noch, wie sich das (mal wieder …) kurzfristig ergeben hat – ein Bisschen so wie vor sechseinhalb Jahren die Sache mit dem Buch und Brasilien.
Es waren wieder nur vier Wochen Vorlauf, bis ich dann mit demjenigen im Flugzeug saß, der mich gerne auf dieser Reise – für ihn eine Geschäftsreise – dabei haben wollte. Und es waren nur zwei Wochen statt zehn, die ich weg war. Doch diese Zeit fühlt sich für mich an wie sechs Wochen, und immer noch bin ich am »Verdauen«.
Einerseits war vieles so, wie ich es »von hier« kenne: Die weitaus meisten sind pausenlos mit ihren Smartphones beschäftigt. Baseballkappen, Sonnenbrillen und auch sonst die gleiche Mode, die gleichen »Outfits« wie hier. Das gleiche Gehabe und Getue wie hier, die gleichen Attitüden. Mir ist klarer den je: Wir befinden uns in einem Kulturkrieg, einem weltweiten. Und die Leute kämpfen ihn und fühlen sich gut dabei, auch wenn er ihre Seelen auffrisst – schleichend, scheibchenweise, aber unerbittlich.
Gleichzeitig ist Kuba ein Land im Umbruch. Hinter den Fassaden lauert der Verfall – im ganz wörtlichen wie im metaphorischen Sinne. Jeder wurstelt sich so durch – mal mehr, mal weniger elegant. Einige auf ganz niedrigem, andere auf recht hohem Niveau. So ähnlich ist es hier ja (inzwischen) auch, doch trotzdem nicht vergleichbar.
Noch stehen markige Sprüche an exponierten Stellen – »Patria o muerte« zum Beispiel, oder irgendwelche Zitate von Fidel Castro oder Che Guevara. »Vaterland oder Tod« ist für mich markig – für Menschen, die mit ähnlichen Sprüchen aufgewachsen sind, aber vielleicht nicht ganz so. Diese Sprüche wirken allerdings angesichts des Alltags, den ich gesehen habe wie surreal, wie komplett aus der Zeit (oder besser: dem Zeitgeist?) gefallen.
Die (bzw. der) ist dort so präsent wie in Berlin. Wie ich schon sagte, ist »der Geist der rein linkshirnischen Weltsicht« offensichtlich auch in diesem (noch) sozialistischen Land »angekommen« – sei es im Gehabe der meisten Menschen wie auch in den Videos, die zur Begleitung eines DJs auf einem öffentlichen Musikfestival in Havanna am Maricon auf großen Bildschirmen im Hintergrund der Bühne liefen: Der Lebensstil »Coolness« ist auch dort sehr, sehr »angesagt«.
Das möchte ich für alle wiederholen, die meine (leider erneut bestätigte) Beobachtung anzweifeln, auch dort die Ikonen der neuen Weltreligion zu sehen. Das mögen sie gerne tun. Leider sehe ich jedoch überall und allgegenwärtig die Gebete der »Gläubigen« – ganz egal, aus welchem Land der Welt der Info-Schnipsel stammt, der sie jeweils zu mir bringt.
Und in diesem Fall war ich sogar selbst dort und konnte sie mit eigenen Sinnen wahrnehmen. Ja, ich weiß – das gilt heute nichts mehr. Was ist denn schon unmittelbare Erfahrung, wo es doch inzwischen so viele Wahlmöglichkeiten dafür gibt, was wir als »real« wahrnehmen wollen … Nein, nein – real ist das, was wir auf unseren Bildschirmen sehen, über unsere Geräte vermittelt bekommen. Wir wollen das so. Wir sind regelrecht vernarrt darin. Es wird unseren Untergang besiegeln.
Trotz alldem komme ich beschenkt und bereichert aus Kuba zurück. Hinter all dem modernen, »coolen« Gehabe und Getöse sind dort noch viel mehr als hier die Menschen sichtbar, meine Mitmenschen, auch wenn sie eine andere Muttersprache sprechen als ich. Das direkte, nackte Leben ist dort nach wie vor präsent, anders als hier, wo mir zunehmend alles aus Plastik zu sein scheint.
Erfrischend das lebendige Chaos, das in krassem Gegensatz zu dem Sicherheits- und Kontrollwahn hier in der EU, vor Allem aber in Deutschland steht. Wenn das so weitergeht, wird man hier bald nicht mal mehr einen Nagel in die Wand schlagen dürfen um ein Bild aufzuhängen, ohne dass irgendeine »Autorität« bei Strafandrohung eine »Abnahme« des Vorganges fordert – mit einem amtlichen Protokoll mit drei oder vier Stempeln und Unterschriften. Gleichzeitig »versinken« viele wichtige Lebensbereiche immer mehr in Vernachlässigung und Chaos. Wir haben jegliche Maßstäbe verloren.
Das Leben dort mag zwar gefährlicher sein als hier, doch auch ungleich »lebendiger«. Nein, das soll keinesfalls Kuba als das gelobte Land ausrufen. Sondern nur eine Anmerkung sein, dass mir klar geworden ist, wie sehr das Leben hier bereits reglementiert und »durchgeregelt« ist. Ich bin immerhin alt genug um mich zu erinnern, dass es mal anders war, auch wenn sich die Stimmen mehren, die mir meine Erinnerung »ausreden« wollen. Die meisten Leute hier regen sich zwar (noch) über all das auf – allerdings nur, um im gleichen Atemzug noch mehr Regulierung, noch mehr Kontrolle zu fordern. Dazu fällt mir nix mehr ein.
Ich bin der Sonderling, der »Ent-rückte«, der »Ver-rückte«. Das ist mir seit meiner Reise nach Kuba noch klarer geworden.