Montag, 25. Oktober 2021
Die Verschwörungstheorie von gestern …
… ist die Tatsache von heute.
Hat man heute so. Schulterzucken. Ist ja alles Zufall. Wie fast alles in der Geschichte, nicht wahr? Und natürlich habe ich trotzdem Recht gehabt: Wir haben doch das beste Deutschland aller Zeiten! Denn du bist ein Arschloch – einmal Verschwörungstheoretiker, immer Verschwörungstheoretiker!
Ich hatte ja vor längerer Zeit schon mal schwadroniert, dass es irgendwann einen Dauer-Hausarrest (»Quarantäne« genannt) für »Gefährder« (heute »Ungeimpfte«) geben könnte. Der wird sehr wahrscheinlich kommen. Wann, ist noch nicht klar. Doch Australien und Neuseeland sind bereits vorgeprescht, und hier in Europa hat Österreich angekündigt, dass er kommen müsse, wenn eine bestimmte Auslastung der Intensivstationen erreicht sei – was demnächst absehbar ist, denn die »Erkältungssaison« hat ja gerade erst begonnen.
Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird man in anderen Ländern folgen – sehr wahrscheinlich auch hierzulande. Nein, es wird wohl, zumindest vorerst, keine gesetzliche Impfpflicht geben. Aber Sie dürfen Ihre Wohnung erst dann wieder verlassen, wenn Sie geimpft sind. Denn Sie sind eine wandelnde Gefahr für die Allgemeinheit, eine lebende Biowaffe. Und Biowaffen sind unter Kontrolle zu halten …
Das alles wird bestens funktionieren. Denn die überwältigende Mehrheit wird das alles mitmachen, ja unterstützen. Ist ja zu unser Aller Sicherheit. Und solche Leute darf man nicht frei herumlaufen lassen. Deshalb geht man in Neuseeland ja bereits in der Planung einen Schritt weiter: Dort werden bald Lager für Ungeimpfte gebaut. Nein, das ist nicht Totalitarismus. Denn die Allgemeinheit muss sich doch vor den Gefährdern schützen!
Man darf niemals mehr zulassen, dass eine gesunde Volksgemeinschaft durch egoistische Gefährder ihrer Freiheiten beraubt wird. Bevor die das tun können, muss man sie aussondern, ja unschädlich machen. Notfalls eliminieren. Volksfeinde haben hier nichts zu suchen. Nun, Vergleiche zum »Tausendjährigen Reich« drängen sich geradezu auf. Nein, es stimmt – man kann es nicht eins zu eins vergleichen. Das greift zu kurz. Doch die dahinter stehenden psychischen Strukturen sind sehr, sehr ähnlich.
Ja, das alles ist bald 90 Jahre her. Damals gab es noch kein Internet, keine Computer, keine Smartphones, noch kein Facebook, Twitter, WhatsApp, und noch kein Netflix. Doch die inneren Strukturen der Menschen waren sich damals und heute sehr ähnlich. Leute, die »es drauf haben«, die »wissen, was sie wollen«, die »Entschlossenheit verkörpern« – die waren damals wie heute gefragt und »dabei«. Damals war Hitler (oder auch Stalin) der Kristallisationspunkt dieser Projektionen, heute sind es »Allerwelts-Poser« wie die jungen »Influencer« im Internet – bei Youtube zum Beispiel. Die Mechanismen der Nachahmung und der »Vorbilder« wurden quasi verallgemeinert – und das ist für mich jeden Tag auf den Straßen und beim Einkaufen allgegenwärtig.
Wer das für dummes Geschwurbel hält, der sei auf das Buch von Arno Gruen »Der Fremde in uns« verwiesen (dtv 2002). Was er dort darlegt, ist von beklemmender Aktualität – mir scheint, die Dinge sind seit 1945 nicht unbedingt in jeder Hinsicht besser geworden. Doch bevor Missverständnisse entstehen: Ich bin sehr, sehr dankbar für die gute Zeit, die ich erleben durfte bis jetzt. Aber aus meiner Sicht bin ich auch alt genug, um von meiner Kindheit bis jetzt einen Bogen zu schlagen – das heißt, von der Piefigkeit der fünfziger und frühen sechziger Jahre über die Aufbruchstimmung der späten sechziger und frühen siebziger Jahre, weiter über die »geistig-moralische Wende« der achtziger bis in die »Nachwende«-neunziger und von dort zu den vergangenen zwanzig Jahren, die in mehrfacher Hinsicht sehr schnell immer »cooler« wurden.
Diese Entwicklung deutete sich bereits Mitte der neunziger Jahre an. Schon da kam mir gelegentlich der Satz »Wenn das so weitergeht, werden wir uns in nicht allzu ferner Zukunft die Köpfe einschlagen.« Die weitaus meisten brauchen »Andere«, von denen sie sich abgrenzen können. Insofern bin ich für viele sehr nützlich, biete ich doch die Projektionsfläche des »Anderen« an, von dem man sich abgrenzen, distanzieren kann. Insofern müsste man, wenn »solche wie ich« weg sind, andere auswählen, um sie als »Andere« zu brandmarken und sich erst von ihnen distanzieren zu können, um sie später als Sündenböcke bekämpfen zu dürfen – mit guten Gewissen.
Denn man »reinigt« die Welt ja von menschlichem »Ungeziefer«, und dann winkt das Paradies. Interessant nur, dass ach so viele Versuche in dieser Richtung in gigantischen Blutbädern endeten …