Dienstag, 11. Juni 2024

Wo bitte ist der Ausgang?

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Wo bitte ist der Ausgang?

Der Ausgang von … was? Nun, ich meine hier die weltweiten Dauer-Grammy-Awards. Überall, jederzeit. Ich nenne es »Grammy Awards«, denn die Grammy-Awards sind für mich ein Sinnbild für Stars und Celebrities, die geehrt werden – von wem? Nun, von den Über-Stars gewissermaßen. Also, letztlich ehren sie sich selbst.

Egal, wo ich mich aufhalte – ich befinde mich immer in einer Veranstaltung der Grammy-Awards: Großartige Leute, wohin ich auch schaue. Souveräne Könner. Kühne Durchblicker. Es spielt überhaupt keine Rolle, welchen ethnischen und kulturellen Hintergrund sie haben: So gut wie Alle sind so unterwegs. Und sie sehen unfassbar gut aus – im ganz wörtlichen wie im übertragenen Sinne. Da kann ich nicht mal ansatzweise mithalten – schon qua Alter nicht. Ach ja, ich wiederhole mich. Entschuldigen Sie bitte. Zu viel Kaffee wohl.

Okay, noch mal zum Anfang: Bitte, bitte – wo ist der Ausgang aus dieser Veranstaltung? Ich bin als – so weit ich das sehen kann – einziger Nicht-Star in diese Veranstaltung hineingebeamt worden, von einer mir unsichtbaren Macht. Und nun lässt man mich auf Schritt und Tritt spüren, dass ich hier nichts zu suchen habe.

Also noch mal: Bitte zeige mir jemand den Ausgang! Ich suche schon die ganze Zeit, doch ich lande immer nur in einem anderen Bereich der Awards. Ich verspreche: Sobald ich den Ausgang gefunden habe, bin ich auch schon weg, gehe niemandem mehr auf die Nerven, provoziere durch meine schiere Existenz.

Irgendwie beschleicht mich aber ganz insgeheim das Gefühl, dass es nur einen Ausgang gibt. Einen, der uns eigentlich alle erwartet, doch der vor Allem für die Stars und Celebrities um mich herum nur noch in Videospielen existiert. »Wo willst du in 800 Jahren leben?«, fragte kürzlich allen Ernstes eine ominöse Partei auf ihren Wahlplakaten. So was wäre noch vor zehn Jahren eher peinlich gewesen. Heute vielleicht verwunderlich, aber irgendwie folgerichtig.

Denn in der Heinrich-Heine-Straße, dort, wo mal der Grenzübergang zwischen Ost- und Westberlin war, gibt es einen Laden mit einem Schaufenster, auf dem steht auf Englisch: »Imagine after you die, someone takes a VR headset off your face and says: “How was it?” – Stell dir vor – nachdem du stirbst nimmt dir jemand eine VR-Brille vom Gesicht und sagt: “Na, wie war’s?“

Ja, ich weiß – ich höre mal wieder die Flöhe husten. Doch im Kontext von alldem, was ich so wahrnehme bringt das auf den Punkt, was ich allenthalben mitbekomme: Der Tod ist etwas Abstraktes geworden, ein »Optional«, wie man in manchen Branchen sagt. Der existiert nicht mehr wirklich. Die Technik ist gerade dabei, ihn abzuschaffen.

Schön für Euch. Oder eben nicht. Ich bin einfach noch zu analog aufgewachsen, um daran zu glauben. Mich wird der Tod ereilen, früher oder später. Dann, spätestens dann habe ich den Ausgang aus den Grammy Awards gefunden.

Gerade entstanden, und schon ein Nachtrag … Gestern (23.6.24) war ich mal wieder bei »Kaffee und Kuchen« bei der AHA. Wunderschön, dort im Halbschatten auf der Terrasse! Und ich bin dann am Abend noch geblieben, habe mir das Spiel Schweiz gegen Deutschland der Europameisterschaften angeschaut. Normalerweise geht mir der ganze Fußball-Rummel am Arsch vorbei. Doch beim Anschauen habe ich mal wieder ein Geschenk bekommen, das aus meiner Sicht rar geworden ist heutzutage: Mich in Verbindung mit jemandem zu spüren, sowohl seelisch (oder von mir aus auch »psychisch«) und auch ganz sinnlich körperlich. Beides ist für mich intensiv miteinander verwoben, und ich brauche Beides, um mich davon genährt zu fühlen – auch wieder ganz direkt körperlich wie auch seelisch.

Das Fußballspiel auf dem großen Bildschirm und das Bierchen dazu waren nur Zugaben, Staffage. Ich bin noch immer am »Verdauen«, denn es hat mich beschenkt und aufgewühlt zugleich: Es gibt so was noch in der Welt – ein Bisschen so, wie wenn ein halb Verdursteter auf einmal hinter der nächsten Sanddüne eine Oase vorfindet.

Das ist schön und furchtbar zugleich. Schön, weil es mir gut tut, und furchtbar, weil es mir mal wieder knallhart verdeutlicht, dass es etwas Verschwindendes, etwas Sterbendes ist. Es war schon früher eher selten, doch nun ist es wie von einer anderen Welt – einer Welt, die bald nicht mal mehr in der Erinnerung einiger Weniger existieren wird. Ach, ich wiederhole mich mal wieder. Entschuldigt bitte.

Und noch was ist mir dabei klarer geworden: Der kleine Text oben ist einer, wegen dem ich mich erst insgeheim geschämt habe. Mal wieder. Doch mein kleines Erlebnis von gestern Abend hat mir wie ein Kontrastprogramm vor Augen geführt, dass ich offenbar bislang viel zu naiv gewesen bin. Nein, nicht »gewesen« – ich bin es noch immer. Noch immer tue ich mir schwer, den Dingen ins Auge zu blicken. Doch gleichzeitig ist da ein Verstehen, das noch sehr leise und scheu ist. Noch.

Noch ein kleiner Nachtrag, am 4. Juli 2024. Warum mache ich diese Seite? Weil das, was ich um mich seit inzwischen weit über einem Jahrzehnt geschehen sehe, mich aufwühlt und beschäftigt – umso mehr, als das offenbar für fast Alle keinerlei Problem darstellt. Ich habe das auf diesen Seiten an verschiedenen Stellen bereits thematisiert. Wie immer freue ich mich, wenn ich mal eine Stellungnahme finde, die in die gleiche Richtung weist wie meine »Bedenken«. »Menschen verlieren essentielle Fähigkeit, andere zu verstehen und eigenständig zu entscheiden«, ist ein Artikel bei »Transition News« überschrieben.

Darin geht es darum, wie die »digitale Revolution« uns als Menschen immer mehr innerlich verkümmern lässt, ohne dass wir das als Problem erkennen. Immerhin gibt es ein paar halbherzige Anläufe, daran was zu ändern, die im Artikel zur Sprache kommen. Doch mit ein paar »la-la«-Initiativen wird diesem Dilemma kaum beizukommen sein. Wir bräuchten einen grundsätzlichen Paradigmenwechsel. Der ist jedoch nicht mal in Ansätzen in Sicht. »Von Macht schon total verblödet«, mit einem Anarchie-Zeichen dahinter, steht hier um die Ecke an eine Wand gesprüht. Unabhängig davon, ob der/die Urheber die Hintergründe ähnlich sehen wie ich: Das trifft den Punkt!

Und noch, am 13.7.24. Nach einem schönen Abend, bei dem mal wieder jemand von sich aus Lust hatte, mich anzufassen – ein Bisschen wie in der oben geschilderten Anekdote –, fand ich auch einen Artikel von Sylvia Shawcross, der … Nun, der mal wieder eine ähnliche Sicht auf die Welt vermittelt wie ich sie empfinde. Wir nähern uns schnell dem Punkt, wo die linkshirnisch priorisierte Sicht auf die Welt (ausschließlich die des »Kopfes«, um es mal salopp und vereinfacht auszudrücken) die einzig »gültige« wird. Auch wenn ich rausgehe, ist das zu sehen: Es gibt offenbar eine inzwischen geradezu hysterische Angst um die Köpfe. Das hat sicher mehrere Gründe, auf die ich an anderer Stelle schon eingegangen bin. Keine Wiederholung hier.

Der kleine Artikel ist auf Englisch, und unten hat Sylvia Shawcross ein frühes Video von Bob Dylan auf »YouTube« verlinkt – ein Fernsehauftritt? Wie auch immer – »A hard Rain’s a gonna fall« ist heute so aktuell, ja aktueller, wie vor ca. 60 Jahren. Mir kam dazu, welcher Mut dazu gehört, solche Gedanken in ein Lied zu kleiden und vorzutragen. Aus meiner Sicht zumindest: Dieses Lied, und nicht nur dieses, ist nicht nur genial, sondern auch visionär – ähnlich wie vieles, was der späte Leonard Cohen veröffentlicht hat. Und wie auch in dessen Liedern kommen hier noch Kopf und »Herz« zusammen. Damals gab es das noch, heute ist es die ganz große Ausnahme geworden. Nein, ich lasse das lieber: »Früher war alles besser« geht am entscheidenden Punkt vorbei. Das alles ist komplexer.

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