Freitag, 19. November 2021

Eine Art Satori …

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Eine Art Satori …

Da gab es mal so einen Moment der Erkenntnis. Eine Art Satori, ein Moment, in dem ich nur knapp einem richtig heftigen Lachkrampf entkam. Doch es war kein gelöstes, ja erlösendes Lachen, mehr ein verzweifeltes Lachen. Eher ein irres Lachen – der Anflug einer Erkenntnis von Irrsinn, ja von Wahnsinn.

Und was war das? Um was ging es? Mich überfiel regelrecht dieses Bild: Wir alle, ich selbst eingeschlossen, spielen permanent das Kinderspiel »Augen auf – da. Augen zu – weg.« Kinder begreifen allerdings auf eine Weise, die sich Worten entzieht (ich könnte auch sagen, sie spüren es oder wissen es intuitiv), dass das ein Spiel ist. Dass nämlich das »da draußen« in aller Regel immer noch da ist, wenn sie die Augen schließen. Nun ja, Dinge, die sich nicht mit Worten oder noch viel besser mit Zahlen erfassen lassen, haben heute keinerlei Bedeutung mehr. Und so was wie Kontext oder Zusammenhänge lenken nur vom Wesentlichen ab. »Schwurbelei« heißt so was heute.

»Gesunder Menschenverstand« ist eine Synthese aus Intuition, Lebenserfahrung und Vernunft. Alle drei ergänzen sich, »tanzen« miteinander. Es funktioniert nur zusammen. So sehe ich das zumindest. Doch Intuition wird heute erbarmungslos diskreditiert und verlacht, Lebenserfahrung ist bedeutungslos, und »Vernunft« ist durch einen Rausch narzisstisch-größenwahnsinniger, fixer Ideen ersetzt worden, mit denen die letzten Reste unserer Vernunft verzweifelt um die Wette rennen. Inzwischen liegen in aller Regel die fixen Ideen weit vorne. Und deren Vorsprung nimmt stetig weiter zu.

Irgendwann, mal mehr gezwungenermaßen, mal mehr dazu verführt, lernen wir zu glauben, dass all dies wirklich funktioniert. Dass also, wenn wir nicht mehr hinschauen (also die Augen davor verschließen, es verdrängen), etwas auch nicht mehr existiert, es mithin keinerlei Einfluss mehr auf uns und unser Leben hat. Oder besser: dass es dann so ist, wie wir es uns vorstellen und wünschen.

»Beschützt mich vor dem, was ich will« ist ein Spruch, der uns heute anstatt der allgegenwärtigen Werbung eigentlich immer wieder in Erinnerung kommen sollte. Denn heute ist »das, was ich will, und zwar sofort« das Motto der Zeit. Es hat uns so tief durchdrungen, dass wir uns sogar die Idee als eigenen Wunsch »verkaufen« lassen, wir seien gute Menschen, wenn wir uns ohne nachzufragen selbst wichtige Grundbedürfnisse wie die nach menschlicher Nähe und Vertrauen nehmen lassen. Ja, wir gehen sogar so weit mit, uns elementare physische Bedürfnisse mit fadenscheinigen Begründungen wegnehmen zu lassen, wie das nach ungehindertem Atmen und nach körperlicher Unversehrtheit. Eine abstrakte »höhere Realität« hat unsere unmittelbare ersetzt und ist für die überwältigende Mehrheit nun »realer« als ihr körperliches Sein.

Also – warum hatte ich damals beinahe einen Lachkrampf bekommen? Weil mir mit einem Schlag klar wurde, dass wir fast alle dieses blöde Spiel praktisch ununterbrochen und unser Leben lang spielen. Wir sind fest davon überzeugt, dass es funktioniert. Genau deshalb sieht die Welt so aus, wie sie aussieht. Denn dazu gehört auch, in Anderen (und generell in der »Außenwelt«) das zu sehen, was wir dort sehen oder eben nicht sehen wollen. Und vor Allem das, was wir in uns selbst nicht sehen wollen.

In dieser Welt gibt es letztlich keine Endlichkeit, keine Einmaligkeit, keinen unwiederbringlichen Moment. Alles ist machbar und kontrollierbar. Durch uns, die Stars. Und wenn das nicht auf Anhieb geht, dann entweder einen anderen Moment »machen« oder die Mittel und Wege finden, die diesen kontrollierbar machen. Und schwupps, ist alles wieder so, wie wir uns das wünschen. Die Welt ist gewissermaßen unser Disneyland geworden. Und wir können alles, das nicht in unser Disneyland passt quasi abwählen, seit geraumer Zeit sogar per Mausklick oder Fingerwisch.

Nun gibt es Leute, die genau diese Mechanismen erforscht haben und sie nun für sich zu nutzen wissen. Gustave Le Bon sprach schon vor etwa 130 Jahren in seinem Buch über die Psychologie der Massen davon, und Edward Bernays führte Ende der zwanziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts dessen Gedanken und Erkenntnisse weiter. Sie wurden weithin aufgegriffen und benutzt, zuerst spektakulär von Leuten wie Josef Goebbels. Doch das war eigentlich erst der Anfang.

Man forschte auch nach dem Krieg weiter, und nun hieß das Ganze »Public Relations« (PR) oder sogar »Social Engineering«. William J. Casey, in den achtziger Jahren Chef der CIA, soll einmal gesagt haben: »Wir sind mit unserem Desinformationsprogramm am Ziel, wenn alles, was die amerikanische Öffentlichkeit glaubt falsch ist.« Ein knalliger Satz, in der Tat. Und er beschreibt knapp und sehr klar, welche Ziele bestimmte Kreise, bestimmte höhere Kreise verfolgen. Ach ja, ich weiß – das ist wieder eine dieser »blöden« Verschwörungstheorien.

Also Augen zu! Verschwörungstheorie! Will ich nix mit zu tun haben. Ach ja, es gibt eine Menge Belege aus offiziellen Quellen dafür und noch mehr starke Indizien, sagst du? So ein Quatsch! Lass mich damit bloß in Ruhe. Will ich nix von hören. Man sollte Spinner wie dich …

Damit sind wir bei der heutigen Situation. Der Graben wird immer tiefer, zwischen denen die noch Fragen stellen und denen, die die nicht hören, mit »solchem Quatsch« in Ruhe gelassen werden wollen. Denen man ihr Leben, das letztendlich nur in ihrer Vorstellung von Leben existiert, wegnehmen kann, ohne dass sie es merken, geschweige denn, dass sie sich wehren. Ja, die das sogar noch gut finden.

Denn da ist eine Instanz, die ihnen die Verantwortung für ihr Leben abnimmt und ihnen dabei praktischerweise auch noch das Gefühl vermittelt, sie seien diejenigen, die alles in der Hand haben. Willkommen in der Normalität. Und die ist heute sogar ganz neu!

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