Freitag, 6. Mai 2022
Geschichte … War da was?
Geschichte … War da was?
Nee, da ist nichts. War nie was. Woher denn? Ist nur die Meinung von ein paar Schwurblern. Kannste drauf scheißen. Ach so – Zweiter Weltkrieg? Wehrmacht in Russland und der Ukraine? Ja, stimmt, da gibt’s so’n paar komische Steine an mehreren Stellen in der Stadt. Keine Ahnung, was das soll. Ist zu lange her.
Heute geht es gegen den neuen Hitler. Gegen die Personifizierung des Bösen. Und für den Kampf um unsere heiligen westlichen Werte. Die nennen sich »Demokratie« und »Freiheit« und besagen, dass du in Allem eine freie Wahl haben musst. Zumindest muss es sich so anfühlen. Und natürlich, dass du zu den Guten, den Gerechten, den Wissenden gehörst. Kurzum: Es geht um Überlegenheit – und zwar in jeder Hinsicht.
Oder konkreter: Es geht um Macht. Für mich. Für dich. Um ein Jeder gegen Jeden. Um ein Alle gegen Alle. Außer für die ganz da oben, für die Mächtigen, die Ultrareichen. Die stehen da drüber. Die sind unsere Helden, unsere Vorbilder, ja unsere weißen Engel. Die Wohltäter und künftigen Retter der Menschheit. Wer daran zweifelt, ist ein gefährlicher Spinner. So was sollte eigentlich strafbar sein. Wird es wohl bald auch. Denn wie kann man nur an so was glauben? Völlig irre!
Am kommenden Wochenende jährt sich der 8. Mai 1945 zum 77. Mal. Welcher 8. Mai? Was war denn da? Nun, es ist der Tag der bedingungslosen Kapitulation des »III. Reiches«, die nach heftigen, blutigen und verlustreichen Straßenkämpfen am 8. Mai 1945 in dieser Stadt – ich wiederhole: in dieser Stadt – im Stadtteil Karlshorst unterzeichnet wurde.
War da was? Der Senat von Berlin hat bereits angekündigt, dass er niemanden offiziell zu der geplanten Feier dort hinschicken wird. Dafür aber viel Polizei, und wehe, jemand bekunde Sympathie für die Russen, heißt es. Doch wie soll das gehen? Wird man verhaftet, wenn man am 8. Mai am Ehrenmal in Treptow oder in Tiergarten eine russische Fahne zeigt?
Weil ja die Russen gerade … Also, geht gar nicht. Doch die vielen Toten von damals? War da was? Viele der damals Gefallenen sind hier in der Stadt und der weiteren Umgebung begraben – in fremder Erde, in die ihr Blut vergossen wurde. Von deutschen Soldaten, die bis zum »Endsieg« kämpfen wollten. Oder mussten. Das will man heute in der Ukraine wieder – »bis zum letzten Ukrainer«, heißt es. Ist im Grunde dasselbe. Heißt heute nur anders. Und es ist wieder »fremdes« Blut, das fließt. Ist also egal. Wir und unsere NATO-Kumpels liefen nur das Zeug zum Totmachen, zur Verlängerung des Krieges. Denn die Russen sollen »ausbluten«, ihr zweites Afghanistan erleben.
Findet niemand was dabei. Nun ja, hinter vorgehaltener Hand hier und da mal ein leiser Zweifel. Nicht laut sagen. Sonst Shitstorm. Wir leben schließlich im besten Deutschland aller Zeiten … Haben hier eine Meinungsfreiheit, die auch in der Ukraine verteidigt wird! Was, dort sind alle Oppositionsparteien verboten? Auch alle Oppositionsmedien? Und Oppositionelle werden drangsaliert oder gar getötet? Was für ein Quatsch! Alles russische Propaganda! Die Russen wollen die freie Ukraine zerstören und das freie Europa gleich mit, weil sie Erzfeinde jeglicher Freiheit, jeglicher Demokratie sind! Dass hier gerade Ärzte verurteilt werden, weil sie sich an den hippokratischen Eid halten und den Nürnberger Kodex noch nicht als Klopapier erachten, ist Fake News. Oder besser: Sie haben sie es verdient.
Nun, wenn man damit also Freiheit und Demokratie à la Ukraine meint, so wie sie dort wirklich ist, dann stimmt das sogar. Doch was sagt das über unser Verständnis dazu aus? Jeglicher Kontext zu dem, was seit 2014 dort geschieht ist eine Verschwörungstheorie. Alles ging mit rechten Dingen zu, immer. Wer was anderes behauptet, ist ganz klar ein Verschwörungstheoretiker und Putinversteher. Denn Geschichte ist nur Meinung, und jegliche Sicht auf die Dinge, selbst wenn es Fakten sind … Und klar doch – wenn das nicht unserer Haltung, unserem Wissen dazu entspricht, ist es nicht nur irrelevant, sondern auch völlig irre.
Deshalb: Geschichte? War da was? Diese Frage wird sich mal wieder stellen, wenn es absehbar geknallt hat. Nun – wenn dann noch jemand da ist, sie zu stellen.