Freitag, 18. März 2011

Wasserspiele

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Wasserspiele

Vor zwei Jahren war die Mauer gefallen. Man konnte jetzt von ganz Berlin aus das wunderschöne Umland genießen – und das taten wir auch.

Ein heißer Sommertag. Trotz offener Fenster ist es sehr warm im Auto. Ein Mitbewohner, ein Freund und ich sitzen am späten Nachmittag zusammen im Wagen und fahren in den Süden … Berlins.

Endlich holpern wir noch ein letztes Stück über eine Sandpiste, finden sogar einen Parkplatz im Schatten.

Zehn Minuten sind es zum Badesee, das größte Stück davon durch den Wald. Dort ist es angenehm still und kühl. Hier und da scheint die Sonne durch die Bäume; dort ist es gleich deutlich wärmer. Ich laufe barfuß und genieße es, den Sandboden unter meinen Füßen zu spüren.

Dann sind wir da. Es ist wenig los heute, ich bin ich ein wenig enttäuscht. Auf der Wiese neben dem See finden wir schnell einen Platz im halbhohen Gras. Nach ein paar Schlucken aus einer noch kühlen Wasserflasche hält mich nichts mehr: Ich will ins Wasser. Endlich Abkühlung! Und nackt schwimmen kann ich hier auch.

Allein das ins Wasser Gehen ist schon eine Art Orgasmus. Die herrliche, klare Frische des Sees umfängt mich, und ich schwimme mit kräftigen Zügen hinaus. Tauche unter und genieße die sonnendurchflutete Stille und Kühle unter Wasser. Drehe eine große Runde bis fast zur anderen Seite, dann schwimme ich zurück. Wohlige Gefühle durchströmen mich.

Fast an meinem Ausgangspunkt angekommen, plansche ich noch ein wenig im Wasser herum, will noch nicht gleich ‘rausgehen. Da fällt mein Blick auf einen sehr großen Reifenschlauch, um den sich fünf Männer balgen, alle etwas jünger als ich. Sie müssen ins Wasser gegangen sein, als ich draußen auf dem See war. Gute zehn Meter sind sie von mir entfernt, und ich schaue neugierig ‘rüber.

Da winkt einer, ich soll doch mitmachen. Freudig und ein bisschen unsicher schwimme ich näher. Ein schönes Spiel – und ganz einfach: Wir alle sechs wollen oben im Kreis auf dem Rand des Schlauches zusammenstehen und uns möglichst lange auf dem Ding halten. Das ist leichter gesagt als getan, denn so ein Riesenring ist wackelig und glitschig, und dann sechs stehende Männer darauf …

So packen wir uns an den Händen und Armen, zum Teil wirr über kreuz, halten uns gegenseitig und ziehen uns aneinander hinauf. Allein das ist schon eine Gaudi. Und dann, mehr oder weniger kurz vor dem Ziel, kippen sechs nackte Männer immer wieder johlend, kreischend oder scherzhaft fluchend ins Wasser – nebeneinander, übereinander. Manchmal gibt es regelrechte Knäuel von Körpern im Wasser. Wunderbar, sich so zu fühlen. Ich mich, die anderen  – und das Wasser. Wir alle genießen es, miteinander zu spielen – ohne Sieger und Verlierer. Die Zeit steht still. Keine Ahnung, wie lange wir da miteinander ‘rumgetobt haben – lachend, prustend, keuchend.

Als wir dann endlich mal balancierend im Kreis stehen, stellen wir uns einander kurz mit Namen vor, reden ein paar einfache Sätze, über uns. Sechs nackte Männer, voll konzentriert auf den schwankenden Gummiring. Alle mit den Armen auf den Schultern der anderen, schauen wir uns an.

Ein fast schon ekstatisches, sehr erotisches Gefühl durchströmt mich, und alles gehört dazu: mein Anflug einer Gänsehaut, das Wasser, die Wärme der Sonne, unsere nass glitzernden Körper und unsere Stimmen, der schon wieder bedenklich schwankende Ring. Eine ganz eigene Wärme beginnt sich in meinen Lenden auszubreiten, und es durchzuckt mich, ob die Blicke der anderen gerade an mir herabwandern. Doch da kippen wir alle schon wieder ins kühle Wasser.

Irgendwann ist es dann vorbei, und wohlig ausgepowert schwimme ich mit den anderen an Land. Der Schlauch wird im Schatten deponiert, und ich sage erst mal Tschüss und gehe mich abtrocknen.

Etwas später bieten sie mir an, mit ihnen Frisbee zu spielen. Doch ich sage nein. Die selbstverständliche Leichtigkeit von vorhin ist weg, der Zauber verflogen. Ich spüre, jetzt geht es wieder mehr um Konkurrenz und Selbstdarstellung.

Spielenden Menschen zu begegnen ist für mich immer ein Moment andächtiger Dankbarkeit gewesen. Und diesmal war ich einer von ihnen.

(Dieser Text entstand im Frühjahr 2006 bei einem Workshop mit Wolf Schneider in connection-Haus. Ich habe ihn vor dem Einstellen hier noch mal überarbeitet.)

 

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