Samstag, 3. Oktober 2020
Der Kreis schließt sich
Der Kreis schließt sich
Ist das nicht richtig toll? Wenn sich Kreise schließen? Vor exakt dreißig Jahren, also am 2. Oktober 1990, war ich vor dem Reichstag, als die Deutsche Wiedervereinigung vollzogen wurde. Ein denkwürdiger Abend, eine denkwürdige Nacht. Mit mir waren Freunde aus der ehemaligen DDR und aus Polen dort. Damals war ich sehr optimistisch, voller Freude – auch wenn ich mich später mit einer guten Dosis Alkohol ausknipste. Heute Nacht war ich am Rosa-Luxemburg-Platz. Meine Gefühle: Das genaue Gegenteil von damals. Dort sollte eine Abschlusskundgebung stattfinden, von einer Demo gegen die »Maßnahmen«. Es war ein Polizeiaufgebot da, alles war abgesperrt und viel mehr Polizei als Leute auf dem Platz. Als ich mich näherte, erfuhr ich gleich darauf, als ich mich als Interessent der für gleich angekündigten Kundgebung outete, dass diese verboten sei und ich den Platz sofort zu verlassen hätte. Ich fragte daraufhin einen der maskierten Polizisten, was denn aus der Demonstrationszug geworden sei, der sich von Unter den Linden hierher begeben wollte. Der sei ad hoc verboten und aufgelöst worden, weil man sich nicht an die Hygieneregeln gehalten habe, wurde ich beschieden.
Und da abzusehen gewesen sei, dass man sich auch hier nicht an die Hygieneregeln gehalten hätte, sei auch die Kundgebung hier verboten worden. Und jetzt müsse ich gehen, sonst … Aha. Wie so was funktioniert, war ja am 1. August und vor Allem am 29. August zu bewundern. Ich glaube zudem nicht, dass es allzu viele Leute waren. Man darf aber heute nicht mehr gegen die Hygieneregeln demonstrieren. Die sollten eigentlich ehrlicher »Gehorsamsdekrete« genannt werden. Denn genau darum geht es. Wer den Gehorsam, der befohlen ist, verweigert oder auch nur in Frage stellt, der wird bekämpft. Die große Mehrheit findet das gut. Das ist heute »Demokratie«, und ich gehöre zu der winzigen Minderheit, die darin ein Problem sieht.
Was erlaubt war, war hingegen eine kleine Spottveranstaltung der »Antiverschwurbelten Aktion«, einer der Antifa nahestehenden Gruppierung. Hinter Absperrgittern der Polizei führten sie neben der Volksbühne unter dem Motto »Game over« eine Art Tanztheater-Performance mit Echsenkostümen auf, mit der sie die »Querdenker« verhöhnten. Sie wissen, dass sie zu den Siegern gehören. Wer mag, kann sich ja ihre Denke mal anschauen – sie sehen alle, die gegen die Corona-Maßnahmen sind, ja selbst nur dumme Fragen stellen (was ich ja so gerne tue), als Nazis und Spinner. Und natürlich ist die Impfung unsere Rettung und Bill Gates unser Erlöser. Alle, die auch nur einen Funken Grips im Kopf haben, tragen die Maske und sehen das so. Genau so. Und nur so. Ich wollte erst was von diesen verlinkten Webseiten zitieren. Doch ich lasse es. Wer mag, kann sich das selbst anschauen. Bitte Kinnlade festhalten. Und einen Schnaps oder ein Bier zum Beruhigen bereit halten. Besser ein Kissen zum Reinbrüllen. Noch besser: beides.
Mir war schon vor Jahren klar: Der neue Faschismus wird sehr cool daherkommen. Damals war mir nur das klar, denn meine Phantasie reichte nicht aus, mir irgendwas Weiteres darunter vorzustellen. Heute ist klar, wohin die Reise gehen wird. Doch was dort passieren wird – dafür reicht wieder meine Phantasie nicht aus. Vielleicht brauche ich mir ja auch keine Gedanken mehr zu machen. Denn wie mit Nazis zu verfahren ist, darüber ist sich die überwältigende Mehrheit einig.
Dass wir in dreißig Jahren wieder in die Diktatur abgleiten, unser 1933 im Gewand des 21. Jahrhunderts erleben und ich zu einer winzigen Minderheit gehören würde, die darin überhaupt ein Problem sieht … Hätte mir das jemand vor dreißig Jahren gesagt – ich hätte dem- oder derjenigen einen Vogel gezeigt. Doch der Kreis schließt sich. In der Nacht vom 2. auf den 3. Oktober 1990 endete ein diktatorisches Regime auf eine sehr schöne und zugleich zwiespältige Weise – je nachdem, aus welchem Blickwinkel man schaut. Es ist, zumindest für mich, Beides. Doch in der Nacht vom 2. auf den 3. Oktober 2020 fahre ich mit dem sicheren Gefühl nach Hause: Die Diktatur ist jetzt überall. Und ich gehöre zu der Handvoll Nazis, die darin ein Problem sehen.