Sonntag, 11. November 2012

Saitensprung?

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Saitensprung?

Ein hoher Beamter der USA, General Petraeus, ein Militär, hatte eine Geliebte. Er hat ein Doppelleben geführt. Nun ist das herausgekommen, nach langer Zeit. Dass Männer (und Frauen) Geliebte haben, ist aus meiner Sicht alles andere als ungewöhnlich und skandalös. Ungewöhnlich und skandalös finde ich eher die Art, wie wir damit umgehen.

Die Lügen, die Heimlichtuerei und die Doppelmoral, die solche »Affären« begleiten – für mich sind sie das Übel, nicht die Tatsache, jemanden jenseits einer Beziehung oder der Ehe zu begehren und diesem Begehren nachzugeben. Dass derjenige, der nach den gängigen Vorstellungen »schuldig« geworden ist natürlich erpressbar wird, das ist gerade bei einem hohen Staatsbeamten natürlich ein wichtiger Aspekt. Insofern kann ich die Aufregung durchaus verstehen.

Für mich ist es jedoch die Privatangelegenheit des Herrn Petraeus, mit wem er eine Beziehung hat und warum. Diese Dinge gehen nur ihn, seine Frau und seine Geliebte etwas an. Dass man natürlich von einem hohen Beamten, dazu noch einem Militär, in einem so prüden, stark religiös geprägten Land wie den USA eine moralische Vorbildfunktion verlangt, abgesehen von den eben schon erwähnten Bedenken, das leuchtet mir völlig ein. Hier wird für mich mal wieder die Spannung zwischen den Moralerwartungen der breiten Öffentlichkeit, die sie gefälligst auch von ihren höchsten Beamten vorgegeigt haben will, und der Realität sichtbar. Dass sich die Vorstellungen und Erwartungen der überwältigenden Mehrheit der Menschen, auch und gerade angesichts der nüchternen Realitäten, in absehbarer Zeit nennenswert ändern werden, ist jedoch kaum zu erwarten. Wir alle lieben unsere Illusionen, wir gehen dafür sogar durch die Hölle (oder bereiten sie anderen). Mir bleibt nur das Staunen. Und der Schrecken, wie selbstverständlich hier die Ebenen vermischt werden.

 

Nachtrag 15.11.12: Eben habe ich einen Artikel von Stefan Kuzmany auf »Spiegel Online« zum Thema gelesen. Er beschreibt in seinem Essay, wie sehr sich doch die Moralvorstellungen in den USA von den unsrigen unterscheiden …

Nachtrag 18.11.12: In einem bissigen Essay von David Rothkopf geht es um den schreienden Widerspruch, dass eklatante Verstöße US-amerikanischer Institutionen gegen internationales Recht (Drohnenkrieg, Irak-Krieg) den größten Teil der amerikanischen Öffentlichkeit völlig kalt lassen, während die Petraeus-Affäre einen großen Skandal darstellt.

Nachtrag 4.12.12: Eben habe ich ein Video (auf englisch) gesehen, das noch einmal ein ganz eigenes Licht auf die Affäre wirft. Wer hatte ein Interesse daran, Petraeus‘ Privatleben zum Zwecke einer Skandalisierung ans Licht der Öffentlichkeit zu zerren? Er hat sich keines justitiablen Vergehens schuldig gemacht! Und überhaupt – so was wie die Vorratsdatenspeicherung scheint in den USA längst Realität zu sein … Jede/r, der oder die dies auch für hier bei uns befürwortet, sollte sich dieses Video unbedingt anschauen.

Nachtrag 27.1.13: Hier der Link zu einem Artikel auf »Spiegel Online«, der eine Ahnung gibt über das, was sich da alles im Hintergrund abspielen mag … Mich schaudert.

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