Dienstag, 26. April 2011

Blog = Tamagotchi?

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Blog = Tamagotchi?

Aaaah! Das tat gut! Was ist das Klo doch für ein kreativer Ort! Was mir da schon so alles an Ideen und Gedanken gekommen ist … ! Eben dort rauschte noch mal mein Tag vorbei, der sich gerade seinem letzten Viertel zuneigt. Mein Blog ist seit Kurzem online, und ich habe heute etliche Mails in diesem Zusammenhang geschrieben und diverse Details ergänzt und verändert.

Die Stunden flogen dahin, und ehe ich’s mich versah, war der Mittag und der Nachmittag vorbei. Im Moment habe ich dazu die Zeit, das ist also nicht mein Ding. Und schon vorher hatte ich den Ehrgeiz losgelassen, jeden Tag (oder zumindest regelmäßig) etwas im Blog zu veröffentlichen.

Doch wenn erst mal mehr dort passieren sollte, was dann? Werde ich die Geister, die ich rief, wieder los? Will ich sie überhaupt wieder loswerden? Mir kam der leise Verdacht, dass ich im Begriff sein könnte, eine Art Tamagotchi zu starten, eines aus der Riege »Tamagotchis für Erwachsene«. Und: Gibt es da einen »Reset«-Knopf? Und wo befindet der sich? Am Computer? Im Internet? In meinem Kopf?

Immerhin kann ich mir die Zeit aussuchen, wann ich es versorge, das ist der große Vorteil dieser Art Tamagotchis. Das kann also abends oder auch frühmorgens oder immer dann sein, wenn ich Zeit dafür habe. Das bieten die klassischen Tamagotchis nicht, die plärren potentiell zu jeder Zeit los – oder gibt es da so was wie eine »Nachtschaltung« oder eine »Schlafzeit«?

Was kann dieses Medium anderen bieten, was mir? Bietet es überhaupt etwas? Es ist nach heutiger Lage der Dinge eher unwahrscheinlich, dass Leute, die grundsätzlich anderer Meinung sind als ich, sich dorthin verirren werden. Niemand braucht sich heute mehr mit Meinungen auseinanderzusetzen, die nicht hundertprozentig seinen eigenen entsprechen – es sei denn, um sich noch deutlicher davon abzugrenzen. »Ich diskutiere nicht. Ich sage meine Meinung!« brachte es jemand bei einer Recherche zu Webforen auf den Punkt. Das spiegelt eine Haltung wider, die sich heute offenbar immer weiter verbreitet: Niemand hat es mehr nötig. Alles ist wohlfeil, und das in der Regel noch kostenlos. Gleichgesinnte und Freunde sind immer da, wenn nicht im physischen, analogen Leben, dann eben im Netz. Es muss hundertprozentig stimmen, also: »Schrei vor Glück oder schick’s zurück!« *

Auch die Art sich zu äußern scheint sich verändert zu haben. Verbale Rempeleien und Beleidigungen gehen aus der Distanz leichter von der Tastatur, bis hin zu Drohungen. Und die Strukturen des Netzes unterstützen das ja auch, indem sie das Gefühl von Anonymität vermitteln. Ein Nickname und notfalls ein Anonymisierungsserver ermöglichen es, zuzustechen, ohne greifbar zu sein. Das ist ein Kennzeichen von Macht: Sie ist selbst nicht greifbar, doch der andere ist ihr ausgeliefert. Meines Erachtens ist das auch ein wichtiger Grund, warum Sonnenbrillen heutzutage von jüngeren Leuten beim aus dem Haus Gehen so selbstverständlich getragen werden wie Schuhe. Auch die Marotte mancher meist jüngerer Leute, nachts schwarz gekleidet auf dunklen Fahrrädern, die Licht ähnlich wie schwarze Löcher absorbieren, kamikazeartig durch die Stadt zu fegen gehört sicher in diese Kategorie. Seit Jahren schon nenne ich sie »Phantome«.

Zurück zum Tamagotchi. Wird es eines, zumindest was den Bedarf an Aufmerksamkeit angeht? Da lasse ich mich nun einfach überraschen. Es ist ein Osterei mit unbekanntem Inhalt. Gar eine Büchse der Pandora? Dazu müsste ich denn wohl doch anders »drauf« sein, oder?

Immerhin hat sich meine erste Aufregung weitgehend gelegt (siehe unter »Warum diese Seite?«). Ich schreibe also in die Welt hinaus und harre der Reaktionen, die da kommen – oder auch nicht. Im Unterschied zum Tamagotchi findet ja eine echte Interaktion mit einem Gegenüber statt, eine Kommunikation. Mit einem Tamagotchi kann ich mich nicht wirklich austauschen, ich reagiere nur – auf eine kleine Maschine, die meine Langeweile überspielen soll. Die ist dann nicht weg, ich bin nur abgelenkt, beschäftigt. Doch die Aussicht auf Austausch und Begegnungen, im besten Falle sogar auch analog, leibhaftig, kann mir kein noch so ausgefuchstes Tamagotchi bieten. Dann doch lieber das Blog. Hurra!

 

* Werbeslogan des Internet-Schuhladens »Zalando« aus den TV-Werbespots

 

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