Dienstag, 1. Juni 2021

Ode an den Wahnsinn

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Ode an den Wahnsinn

Ode? Das hat doch was mit Gesang zu tun? Ja, hat es. Und deshalb soll es hier um das Singen gehen. Etwas, das bis vor Kurzem, bis zum 19. Mai, nicht mal im Freien stattfinden durfte. Wegen der Aerosolverbreitung – dem Pesthauch, der unseren singenden Mündern entfleucht. Doch jetzt hat man die Gefahr geringer als früher eingestuft. Im Freien ist Singen nun wieder erlaubt.

Nun, nicht wirklich. Denn die Aerosolverbreitung ist ja so gefährlich, dass man eine ganze Reihe von Sicherheitsmaßnahmen ergreifen muss. Bitte noch mal vergegenwärtigen: Wir reden vom Singen im Freien. Ja, ich weiß, ich bin derjenige, der verrückt ist, indem ich in alldem überhaupt ein Problem sehe. Man macht halt, wie einem befohlen ist, und gut is. So what?

Also: Fürs Singen im Freien in Berlin braucht man zuallererst eine Maske. Dann zwei Meter Mindestabstand rundum. Und einen tagesaktuellen, negativen Schnelltest oder einen Antikörpertest bzw. einen Impfnachweis über eine vollständige Impfung. Dazu müssen die vollständigen Kontaktdaten hinterlegt werden. Und idealerweise auch noch ein Plan erstellt und bereit gehalten werden, wie und wo die einzelnen Personen in der Gruppe gestanden haben. Dazu soll es noch eine Person geben, die verantwortlich dafür ist, dass all diese Regeln eingehalten, respektive kontrolliert werden.

Das macht das Ganze für mich so attraktiv wie eine anstehende Zahnwurzelbehandlung beim Zahnarzt. Also, richtig geil eben. Und es ist auch geil, welch eine Menschenverachtung, ja Verachtung für das Leben überhaupt da zwischen den Zeilen dieser Regelungen aufscheint. Doch das fällt offenbar nur mir als Solches auf. Ich war halt schon immer ein Bisschen verrückt …

Schon letztes Jahr im Frühjahr hatte ich die Leute im Chor damit genervt, dass hier irgendwas faul sein müsse. Doch bis auf eine Handvoll Ausnahmen unter den dreißig Leuten hat das die allermeisten nicht die Bohne interessiert, und ein paar waren sogar richtig angepisst. Ich habe mich damit alles Andere als beliebt gemacht und bin dann später auch aus dem Chor ausgetreten. Die Ablehnung, die ich letztes Jahr bei den letzten persönlichen Treffen vor dem großen Lockdown im Herbst spürte reichten mir. Da war mir klar: Ich habe verschissen.

Und zum Einen finde ich »Zoom« und Co. nicht nur völlig unbrauchbar zum gemeinsamen Singen, sondern es ist für mich auch ein zentraler Teil des Chorerlebnisses, mit den Anderen zusammen zu sein – analog, physisch, als lebendiger Mensch und nicht als symptomlose potentielle Quelle des Verderbens für meine Mitmenschen. Zum Anderen würde mein Mitmachen unter diesen Bedingungen den Eindruck erwecken, als sei alles in bester Ordnung, indem ich die Schar derer, die beschwingt in Richtung Abgrund marschieren um einen vergrößere. Ich verweigere mich dem Mitlaufen, im ganz wörtlichen Sinne.

Und ich verweigere mich der irren (indirekten) Behauptung der offiziellen Stellen, dies alles sei so ansteckend wie die Windpocken, dabei aber im Gegensatz zu diesen so tödlich wie die Pest. Wäre das wirklich so, so würden sich längst die Toten in den Straßen stapeln. Dass wir kaum weiter davon entfernt sein können, ist offenbar nur mir aufgefallen. Aber vielleicht bin ich halt auch blind, lebe zu sehr in meiner Blase. Ich sollte mehr Fernsehen schauen, dann würde ich das wohl anders sehen.

Habe gestern (6.6.21) den Link zu einem Video zugeschickt bekommen (auf Englisch, leider ohne deutsche UT), das ich hochinteressant finde. Deshalb hier mein kleiner Nachtrag an dieser Stelle, denn es geht um Atem, und deshalb ist der Bezug zum Singen hier ein ganz direkter. Dan Brulé spricht dort über die Bedeutung des Atmens für unsere Gefühle und unser Denken, ja für unser Lebensgefühl überhaupt. Hochinteressant! Das ist etwas, das sich an vielen Stellen mit meiner persönlichen Erfahrung verbindet. Und es wirft noch mal ein neues Licht auf den Maskenwahn: Neben schon bekannten physiologischen und psychischen Aspekten kommen hier noch weitere dazu: Das alles ist ein Frontalangriff auf unser Menschsein!

Sicher werden nun Leute kommen, die »wissenschaftlich belegen« können, dass das alles Quatsch sei. So was hat ja gerade Hochkonjunktur – unmoderiertes (Er-)Leben ist bereits seit Jahren ultra-uncool. Darum geht es ja auch hier; dagegen schreibe ich hier seit Jahren an. Nun, sollen diese Leute es tun. Ich gehöre noch zu denjenigen »Fossilen«, die persönliche, direkte, ganz und gar Leib-haftige Erfahrungen erleben und ernst nehmen und für die »Nachweise« des Gegenteils deshalb bestenfalls eine zweitrangige Bedeutung haben – eher als Denkanstöße zum (inneren) Überprüfen des Erlebten. Im besten Falle eröffnet dies mir neue Sichtweisen und Perspektiven. Im anderen Fall sagt es mehr über die »Gegenseite« aus als über mich.

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