Sonntag, 20. August 2017

Nach uns die Fliegen

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Nach uns die Fliegen

Ah! Da war schon wieder eine. Sie umkreist mich, während ich auf den Bildschirm meines Laptops schaue. Jetzt surrt sie direkt vor meinem Gesicht herum. Das wird mir zu viel. Ich mache eine Handbewegung, um sie zu verscheuchen.

Sie erschrickt offensichtlich, denn was bislang ausblieb, passiert nun: Sie fliegt gegen die Scheibe des Fensters neben mir, einmal, zweimal, dreimal. Doch dann verschwindet sie hinter mir vorbei aus dem Zimmer. Offensichtlich hat sie den Weg aus der Wohnung gefunden, denn als ich kurz danach aufstehe, um mir etwas zu trinken zu holen, ist sie nirgendwo mehr zu sehen.

Eine Stunde später. Ich komme aus dem Bad, gehe ins Wohnzimmer und greife mir meine Hose. Mein Blick geht in Richtung offener Balkontür, während ich hineinschlüpfe. Wieder eine Fliege – womöglich dieselbe wie vorhin? Sie fliegt in die Loggia, dort ein wenig hin und her, kommt dann durch die geöffnete Balkontür herein, dreht eine kleine Runde im Zimmer und fliegt dann direkt wieder hinaus ins Freie. Das kann Zufall sein; auf mich wirkt es aber sehr zielstrebig. Beinahe wie ein Erkennen, dass das hier nicht passt, seltsam ist, und wieder gehen.

Tiere beobachte ich gerne und lerne von ihnen. Es macht keinen Unterschied, ob die Tiere groß oder klein sind. Doch das mit den Fliegen – ich spreche hier von größeren Exemplaren, bei den kleinen Stubenfliegen habe ich solche Beobachtungen seltener gemacht – das fiel mir schon früher auf. Seit einigen Monaten häufen sich solche Beobachtungen.

Vielleicht bin ich auch inzwischen wacher dafür, doch wenn mein Eindruck stimmt, dann gibt es inzwischen wesentlich mehr intelligente Fliegen als früher. Eine spannende Beobachtung! So da was dran ist, kommen mir ein paar frevelhafte Gedanken.

Wir haben Fliegen einer gnadenlosen Auslese unterworfen. Nur die intelligentesten habe diese überlebt. Diese Auslese lief auf mehreren Ebenen: Gift, Verstädterung, Auto-Windschutzscheiben, … Fliegen haben eine enorme Fortpflanzungsrate und ein recht kurzes Leben. Beste Voraussetzungen, um Evolution im Zeitraffertempo zu erleben.

Fliegen sind als Art äußerst robust. Sie widerstehen viel höheren Dosen von Giften und radioaktiver Strahlung als wir. Sie sind weltweit vorhanden. Sie fressen fast alles. Beste Voraussetzungen also, auch weiterhin zu existieren. Wenn wir als Spezies alles andere, inklusive uns selbst, kaputtgemacht haben werden – die Fliegen haben eine gute Chance zu übeleben. Und sie werden bei all dem einen Evolutionssprung erleben, der sonst womöglich niemals stattgefunden hätte.

Vielleicht ist die nächste intelligente Spezies, die diesen Planeten beherrscht eine Insektenspezies.

 

Nachtrag 19.10.17: Irgendwo hatte ich die Schlagzeile schon mal gesehen, ich glaube es war beim Freitag. Da ging es darum, dass sich die Zahl der Fluginsekten in den vergangenen 25 Jahren um drei Viertel (!) verringert habe. Jetzt las ich dazu einen Artikel beim Guardian, der sich auf eine Untersuchung europäischer Wissenschaftler in der BRD bezieht. Was besonders besorgniserregend ist: Alle Lockfallen für die Untersuchung wurden in Natur- und Landschaftsschutzgebieten aufgestellt; in Gegenden mit viel Landwirtschaft sieht es womöglich noch schlimmer aus. Die Beobachtung, die am Ende des Artikels gemacht wird, kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen: Nach einer längeren Autobahnfahrt im vergangenen Hochsommer fand sich nur eine geringe Zahl toter Insekten auf der Windschutzscheibe …

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