Mittwoch, 25. Januar 2017

Ein Hauch von …

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Ein Hauch von …

Donald Trump ist seit Freitagabend vergangener Woche inauguriert, der 45. Präsident der USA. Seine Antrittsrede ließ wenig Raum für Zuversicht – sie ist genau das, was nach seinem Verhalten in der Vorwahlzeit zu erwarten war: keine Konzessionen, keine Kompromisse.

Seine Gegner gingen zu Hunderttausenden auf die Straße, und für die Show zu einer Amtsübernahme ließ sich kein hochkarätiger Popstar finden. Nur zweit- und drittklassige Künstler traten auf.

So also: Hier der »Sieg des Bösen«, dort die »Aufrechten und Gerechten«? So nehmen sich viele wahr, doch dies ist (aus meiner Sicht zumindest) leider genauso einfach gestrickt wie Trumps Mantra von »Make America Great Again«. Denn keine Seite dies- und jenseits des Grabens ist wirklich bereit, sich mit den Motiven der jeweils anderen zu beschäftigen.

Und genau hier sehe ich das größte Problem: Egal für welche Seite sie sich entschieden haben – die Mentalität der Menschen ist die gleiche. Denn Trump steht stellvertretend für den Zeitgeist: »Yes I can«, »Was Realität ist, bestimme ich!«, »Die Welt dreht sich um mich, noch Fragen?«

Die steigende Bedeutung von »Fake News« und »Alternativen Fakten« ist nicht die Ursache für eine Entwicklung – sie ist ein Symptom. Und wie meistens schaukeln sich hier die Dinge gegenseitig hoch. Letztlich spiegelt die jüngere Entwicklung jedoch genau die oben beschriebenen Haltungen wider. Nur sind einige von uns halt radikaler darin, wie weit sie damit gehen. Und dass manche empfänglicher dafür sind als andere, versteht sich von selbst. Doch die Grundhaltung, die sich darin ausdrückt erreicht inzwischen auch die letzten Winkel der Erde und unserer Psychen.

Diese Haltung, diese Weltsicht ist etwas zutiefst Menschliches, ja bis zu einem gewissen Grade Unvermeidliches. Die Frage ist: Wollen wir mehr davon und nützt uns das auf lange Sicht? Denn ich denke, diese menschliche Eigenart hat inzwischen jegliche Balance verloren und sich völlig verselbstständigt. Sie ist übergekippt wie ein gekentertes Boot.

Vielleicht erscheinen manchen diese Gedanken wie abgehobenes, weltfremdes Gelaber. Doch die Frage und das Thema waren schon mal im Mainstream der Popkultur präsent: Wer’s nicht glaubt, höre sich mal »We can work it out« von den Beatles an. Das war Mitte der sechziger Jahre ein Hit in den Charts, lange her.

Doch leider sehen heute offenbar nur Verrückte wie ich das so … Nun ja, Verrückte haben halt ihre eigenen Sichtweisen der Welt – siehe oben. Ich wünsche mir jedoch ein paar mehr, die diese Sicht teilen und ihre Mitmenschen warnen können vor dem, was konsequenterweise daraus folgen wird. Vielleicht haben wir dann den Hauch einer Chance.

 

Nachtrag 26.1.17: Wie schon mehrfach erwähnt freue ich mich immer, wenn ich ähnliche Gedankengänge wie meine aus berufenem Munde höre oder lese. Sollte das irgendwann nicht mehr vorkommen, bin ich dann reif für die Einweisung? Ich weiß es nicht.

Jakob Augstein, Herausgeber des »Freitag«, sinniert über die »Vetrumpung der Welt«und dieses allgemeine Grabendenken, das ich oben erwähne. »Und was wäre, wenn Trump mit seinen Plänen Erfolg hätte?« Darüber haben bislang nur wenige nachgedacht, die Wirtschaftswelt tut es aber offenbar schon.

»So sieht es aus, das Ende des liberalen Zeitalters.«

Nachtrag 30.1.17: Christian Stöcker schreibt auf »Spiegel Online« über ein zunehmendes »Stammesdenken« in Bezug auf die beiden politischen Parteien in den USA und warnt vor Versuchen von rechts Außen, eine solche Spaltung der Gesellschaft auch bei uns voranzutreiben.

Aus meiner Sicht sind solche Machenschaften nicht die Ursache, wohl aber ein Katalysator der gegenwärtigen Entwicklung. Die Verrohung und Verarmung des politischen Diskurses ist ein allgemeines Phänomen, doch »Öl ins Feuer zu gießen« kann die Verhältnisse womöglich zum Kippen bringen, auch bei uns.

Nachtrag 16.2.17: Eben habe ich noch einen Kommentar beim »Guardian« gefunden, der ganz gut zum Thema passt: Wir ernten, was wir seit Jahrhunderten gesät haben. Denn wenn »Dynamik« honoriert und befördert wird (damit meine ich offenes und/oder verdeckt aggressives Verhalten), dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis irgendjemand als perfekte und extreme Verkörperung dieser Eigenschaften es bis ganz nach oben an die Spitze einer Weltmacht schaffen wird. Wir haben Wind gesät. Jetzt ist Erntezeit.

Nachtrag 9.8.17: Sascha Lobo schreibt heute in seiner Kolumne »Der verbale Erstschlag ist erfolgt«. Donald Trump heizt den Konflikt mit Nordkorea weiter an, bislang nur verbal. Dabei gibt es keinen aktuellen Grund dafür außer fixen Ideen und einem Gegenüber, das genauso wie er selbst in einer Art Phantasiewelt lebt. Das ist ein Spiel mit dem Feuer, und es ist aus meiner Sicht müßig darüber zu spekulieren, ob ihm die Tragweite seines Handelns bewusst ist. Trump ist somit die extremste Verkörperung des Zeitgeistes, der ultimative Egomane. Doch er ist genau deshalb ganz »richtig« an der Stelle, wo er ist: Der Egomane und die Egomanin sind das Modell unserer Zeit. Nur sind die weitaus meisten von ihnen nicht mal ansatzweise in der Machtposition, in die Herrn Trump seine Präsidentschaft versetzt hat …

Nachtrag 5.3.18: Nun, die Situation zwischen den USA und Nordkorea hat sich einstweilen beruhigt – ob das vorhält, muss sich zeigen. Vielleicht liegt es ja auch einfach daran, dass beide Staatsoberhäupter zur Zeit wieder andere Sorgen haben. Sibylle Berg schrieb in ihrer Kolumne vom 24.2.18 über das offenbar wieder zunehmende Verhalten vieler Menschen, sich durch Abgrenzung von Anderen und Drüberstellen über Andere, als minderwertig empfundene Menschen besser zu fühlen. Eine sehr menschliche Verhaltensweise. Muss ich das deswegen okay finden, ja entschuldigen?

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