Sonntag, 5. Juni 2016

Der AfD die Bühne überlassen

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Der AfD die Bühne überlassen

Das erinnert mich doch an was. Eine Mischung aus leiser Wut und Traurigkeit kommt in mir hoch: Da haben es wieder »Engagierte« geschafft, eine Diskussion zu verhindern, bevor sie überhaupt stattfinden konnte. »Darüber darf nicht diskutiert werden!«, klingt mir wieder im Ohr.

Beim Kölner Birlikte-Fest, einem Kunst- und Kulturfestival in Köln, war eine Podiumsdiskussion mit AfD-Politiker Konrad Adam geplant. Dass das nicht allen gefallen würde, war klar. Mehrere Teilnehmer sagten laut oben verlinktem Artikel deshalb offenbar ihre Teilnahme am Festival ab. Das finde ich zwar schade, kann es aber noch halbwegs nachvollziehen.

Ja, es gibt eine starke rechte Strömung in Deutschland, rechts der CDU – und der SPD, die sich nur noch in Nuancen von ihr unterscheidet. Diese Strömung wird außer von Politikern der NPD von der Pegida-Bewegung und der AfD repräsentiert. Und sie ist da. Sie totzuschweigen oder verdrängen zu wollen (im ganz wörtlichen wie im übertragenen Sinne) wird wenig bringen. Sie ist da. Sie wird bleiben.

Nun also: Keine Diskussion. Ich bewundere den Mut von Herrn Adam, seine Teilnahme zuzusagen. Vielleicht ist er sogar erleichtert, denn es wäre schwierig für ihn geworden. Gerade auf solch einem eher links orientierten Festival hätte er sich vielen unangenehmen Fragen stellen müssen. Das blieb ihm nun erspart. Stattdessen kann er, so er will, jetzt die Vorgehensweise der linken Szene als Argumente für seine eigenen Standpunkte einsetzen.

Die Diskussion hätte auch spannend werden können, indem sie vielleicht gezeigt hätte, dass Vieles, auch bei der AfD, anders ist als die Massenmedien berichten. Dass Vieles weniger eindeutig ist als sich die meisten Menschen wünschen – auch die links der AfD, auch die in der linken Szene. Womöglich wären in vielen Köpfen und Herzen ein paar Dinge in Bewegung gekommen, auf beiden Seiten.

Doch da wussten Leute, dass diese Diskussion nicht stattfinden darf, nicht einmal in einem Bereich, der für sie ein »Heimspiel« gewesen wäre. Auf einer höheren Ebene haben sie der AfD die Bühne nicht nur überlassen, sondern sie sogar erweitert. Wieder eine Chance verpasst. Schade.

 

Nachtrag 19.2.17: Eben habe ich gelesen, dass es seit Kurzem in den USA sogenannte »Sensitivity Readers« gibt. Damit sind TestleserInnen gemeint, die neu erscheinende Bücher (zur Zeit noch nur Kinder- und Jugendbücher) daraufhin durchforsten, ob sich irgendeine Minderheit durch deren Darstellung darin auf die Füße getreten fühlen könnte. Einige Verlage sind offenbar bereits dazu übergegangen, dies noch vor einer Veröffentlichung zu tun und die entsprechenden Stellen vorher abzuändern.

Ein Autor sinniert beim »Guardian« darüber, was dies für die künstlerische Freiheit und Kreativität bedeuten könnte. Denn die Grenze zur Zensur ist fließend. Wenn politische Korrektheit so weit geht wie sich hier abzeichnet, dann verstehe ich gut, warum viele Leute in den USA Trumps Art erfrischend finden.

Nachtrag 20.12.17: Da wagt einer in einer Zeit, in der Weniges schlimmer ist als öffentlich nicht zu wissen wo’s lang geht, genau das zu propagieren: Seine Meinung zu ändern, auch mehrfach, sei kein Zeichen von Schwäche, sondern von Stärke, meint Mark Rice-Oxley beim Guardian. Ein seltenes Statement heutzutage. Gerade heutzutage. Sich von Fakten und dem Empfinden Anderer beeinflussen zum lassen war schon immer eine heikle Sache. Im Zeitalter des Allwissens Aller ist das sogar eine Provokation. Danke dafür. Das braucht heute besonderen Mut!

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