Dienstag, 3. September 2013

Idealismus als Ware

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Idealismus als Ware

gerade habe ich mal wieder einen weiteren Artikel  über die Rede Martin Luther Kings gelesen – seine berühmte Rede in Washington ist dieses Jahr ein halbes Jahrhundert, also fünfzig Jahre her.

Wie es sich für etwas aus den USA gehört, so ist auch diese historische Rede etwas sehr modernes geworden: eine Ware. Sie ist kein öffentliches Gut, sondern ein per Copyright geschützter Artikel, der nur dann veröffentlicht werden darf, wenn die Rechteinhaber Geld gesehen haben.

Für mich wird hier eines der Grundprobleme unserer Zeit sichtbar: Alles wird verkauft und konsumiert, nichts darf davon ausgenommen bleiben. Ob es um Ideale, Gefühle oder Gedanken geht – alles ist Ware, käuflich und gegen entsprechendes Geld konsumierbar. Was bedeutet das für uns Menschen? Was bedeutet es, wenn alles nur noch im Hinblick auf Marktchancen und Verfügbarkeit bewertet wird? Was bedeutet es, wenn nichts, aber auch rein gar nichts mehr der Logik von Angebot und Nachfrage, von Käuflichkeit entzogen ist?

Keine Idee? Gut, ich verkaufe sie Ihnen. Hier nur heute kostenlos, als Werbungs- und Einführungsangebot. Danach müssen Sie dafür bezahlen:

Wir haben längst aufgehört, Menschen im »klassischen« Sinne zu sein. Wir sind das geworden, was uns schon viele Denker vor langer Zeit prophezeiten, Marx zum Beispiel. Den darf man jetzt übrigens sogar kostenlos zitieren, und seine Ideen sind wieder erstaunlich populär. Nur bewirken sie heute nichts mehr, denn die Waren werden sich nicht wehren, nicht mehr. Sie springen höchstens mal von ihren Regalen und schreien nach einem Käufer, einem, der ihnen Wert gibt.

Doch sie bleiben Waren, stolze Waren, die was auf sich halten. Die gut aussehen, und denen dies elementar wichtig ist. Also bitte keine spontanen, unkontrollierten Aktionen! Ihr Marktwert könnte leiden, und das geht gar nicht. Zumindest so lange nicht, bis alle dabei mitmachen und das somit geht, in den Konsens passt. Bestimmt findet sich demnächst jemand, der uns allen die Revolution verkauft. Und sich damit eine goldene Nase verdient – für nachher, wenn alles so weiterläuft wie bisher, nur mit neuem, hippem Mobiliar.

Willkommen in der neuen Welt.

 

Nachtrag 22.11.14: Eben habe ich einen Artikel von Georg Diez gelesen. Er meint, 1994 sei das Jahr gewesen, in dem die Welt, wie wir sie heute kennen, geboren wurde. Da ist was dran, finde ich. Anfang der neunziger Jahre setzte eine Entwicklung ein, die seitdem stürmisch verlief und immer noch verläuft. Die Welt hatte sich nach dem Zusammenbrechen des Ost-West-Gegensatzes stabilisiert, die gewohnten Kräfte hatten nach einer kurzen Phase der Verunsicherung nun um so selbstsicherer wieder ganz und gar das Ruder übernommen. Ein interessanter Gedanke!

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